So schön seltsam: “Ich war zuhause, aber”


Ich hatte keine Ahnung, was mich erwarten würde, als ich morgens um halb zehn in den Friedrichstadt-Palast stolperte, um mir den deutschen Wettbewerbsbeitrag Ich war zuhause, aber anzusehen. Ich wusste nur, es geht um einen Jungen, der zurück nach Hause kommt, nachdem er eine Woche lang als vermisst gegolten hatte. Und dass irgendwie alles komisch ist zuhause.

Komisch ist so einiges, das stimmt. Aber merkwürdigerweise realisiert man das erst gegen Ende des Films; erst dann kann man die Anhäufung völlig absurder Situationen einordnen.

Am Anfang dachte ich, es wird ein “artsy” Film, etwa wie “Touch Me Not” letztes Jahr, der dann sogar den Goldenen Bären mit nach Hause nahm. Das war mir alles zu berlinesk, zu gewollt emotional, zu “Ich mach was so Besonderes, ich trau mich voll was”. Und auch Ich war zuhause, aber kommt am Anfang so daher: theaterähnliche Szenenbilder, in denen die Figuren starr herumstehen und irgendwie gar nichts tun. Da wollte ich mich schon gleich aufregen: Och nee, bitte nicht schon wieder so ein Film, der sich wie was Besseres fühlt.

Erst mit der Zeit – als die katastrophal überforderte Mutter, die eigentliche Hauptdarstellerin, einem Mann mit Roboterstimme ein Fahrrad abgekauft hat, das dann kaputt ist, als sie einem Mann, den sie kaum kennt, erklärt, wie schlecht seine Theaterinszenierung ist, als sie mit ihren Kindern im Krankenhaus einen waldorfähnlichen Tanz aufgeführt hat und als sie sie später aus der eigenen Wohnung geschmissen hat – erst da verstehe ich, dass all diese gekünstelten Szenen nicht aus Hochmut entstanden sind, sondern um die verkehrte Welt der Figuren zu unterstreichen.

Denn obwohl die Aufmerksamkeit doch dem heimgekehrten Jungen gelten sollte, dreht sich alles um die Mutter. Man weiß nicht, wie es vor dem Vorfall innerhalb der Familie zuging, aber es könnte sein, dass die Mutter vor allem durch das Verschwinden des Sohns so aus der Bahn geworfen wird. Sie ist machtlos in ihrer Mutterrolle: Sie weiß, sie muss diejenige sein, die Ruhe bewahrt, die die Dinge in die Hand nimmt und wieder Ordnung in den Alltag bringt. Stattdessen verfängt sie sich in Details wie einem kaputten Fahrrad oder einer dreckigen Küche. Sie muss von ihren Kindern in den Arm genommen werden, weil sie droht, wie Glas auf den Küchenfliesen zu zerschellen.

Der Film wird im Berlinale-Publikum gemischt aufgenommen, viele scheinen ähnlich verwirrt wie ich zu Beginn. Aber meine Sitznachbarin lacht wie ich über die genial absurden Szenen, die einen bis zur Sprachlosigkeit verwirren. Angela Schanelec schafft es, Szenen unfassbarer Entfremdung zu kreieren, mit denen wir uns dennoch so gut identifizieren können, weil sie typisch sind für das Berliner Leben, das wir kennen. Die Mutter möchte so sehr die Kontrolle gewinnen über das Wirrwarr ihres Alltags und die Verantwortung als Mutter, die ihr vielleicht erst jetzt, wo ihre Kinder bereits jugendlich sind, klar wird. Aber sie scheitert, weil sie vergessen hat, wie “normal sein” geht. Denn nichts ist normal, ihr Sohn war eine Woche lang verschwunden.


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