Kærlighed på film
(Dänemark 2007, 100 min, 35mm, Scope)
„Eine schöne Frau und ein Mysterium: So fängt ein Film Noir immer an.“ Dieser Film ist dazu voller Rätsel und voll Spannung. Jonas (Anders W. Berthelsen) ist mit Mette (Charlotte Fich) glücklich verheiratet. Sie haben zwei Kinder und wohnen in einer schicken modernen Neubauwohnung in einem gerade gebauten Vorort von Kopenhagen. Überall Glas, gerade und klare Linien, die Wände sind weiß, sogar die Photos an der Wand unterstreichen in ihren kalten blauen Filter gehüllt die künstliche Stimmung. Das Kinderlachen, die echte Zuneigung zwischen den Eheleuten und die Stimmung im Umgang jedes einzelnen miteinander in der Familie stehen in starkem Kontrast zu den leblosen Gegenständen.
Auch Beruf und Freizeit spiegeln den Gegensatz von Leben und Tod. Jonas ist Photograph bei der Polizei, er photographiert Mordopfer. Zu Hause stapeln sich die National Geographic-Hefte mit ihren bunten Bildern ferner Strände und Meere. Jonas träumt von Polynesien und obwohl er seine Familie liebt ist er nicht ganz bei der Sache. Zum vierten mal in der Woche bleibt der Familie der Wagen stehen. Von hinten rast eine Frau – Julia (Rebecke Hemse) – mit ihrem Wagen an, schrammt vorbei, trifft aber mit einem entgegen kommenden Auto zusammen und kommt schwer verletzt ins Krankenhaus.
Jonas besucht die Fremde, die 90% ihres Sehvermögens und ihre komplette Erinnerung verloren hat, im Krankenhaus und ihre Familie dort hält sie für Sebastian, den Julia in Kambodscha kennen gelernt hatte. Anfänglich bietet sich keine Gelegenheit, die Sache aufzuklären – später spannt sich ein undurchdringliches Netz aus bedingungsloser Verbundenheit, dem Reiz des mysteriösen Fremden, Realität und Phantasie, Wahrheit und Lüge zwischen Julia und Jonas. Bis Sebastian (Nikolaj Lie Kaas) auftaucht…
Das intensive Spiel vor allem der Hauptdarstellerin liefert einen beinahe dem äußersten Punkt von Spannung aus, bis abrupt und brutal das Ende überrascht. Der Film ist durchzogen von Antithesen: gut und böse, falsch und richtig, Zärtlichkeit und Gewalt, frei und gebunden. Rückblenden, Parallelmontagen und weitere Montagetechniken visualisieren die verwobene story auf so kraftvolle Weise, dass man als Zuschauer keine andere Möglichkeit mehr hat, nicht tief in die Geschichte hineingezogen zu werden. Der Schnitt Anders Villadsens (Adams Äpfel) ist phantastisch.
Auch die Kameraarbeit ist überragend. Die Kamerafahrten Dan Laustsens im Krankenhauszimmer schaffen eine voyeuristische und mysteriöse, aber dennoch nicht beklemmende, sondern seltsam warme Atmosphäre. Es ist als würde die Kamera mit den Personen spielen, sie umkreist sie, geht näher heran und fokussiert sie, um gleich darauf wieder zurück zu weichen, als würde sie nicht entdeckt werden wollen. Untermalt werden die Bilder von Kompositionen Joachim Holbeks, mit dem Regisseur Ole Bornedal bereits bei „Night Watch“ und „Vikaren“ zusammen gearbeitet hatte und der ein untrügliches Gespür für spannungsvolle Musik hat.
Das Spiel mit den Bildern korrespondiert perfekt mit dem Inhalt der Geschichte. Es ist wohl auch das erste mal, dass der deutsche Titel tatsächlich besser klingt – obwohl das düstere und blutige Filmplakat in Zusammenhang mit dem englischen Titel eben auch wieder die Antithesen des Films, der ab 16 ist, verdeutlicht. Wundervoll deprimiert in einem Wirrwarr von Gefühlen zurückgelassen und von einer tiefen Traurigkeit erfüllt verließ ich das Kino… Fazit: Unbedingt sehen.
Text: Jennifer Borrmann, 11.04.2009