The Little Drummer Girl


(USA 1984, 130 min, 35mm, 1:1.85)

 

Bad Godesberg, West Deutschland, 1981: Eine unscheinbar wirkende Frau gibt mit einem Vorwand einen Koffer bei einem Mann ab. Sein Sohn, der eine Kippa trägt, kommt gerade von der Schule nach Hause. Die Frau verlässt die Wohngegend, der Familienvater trägt indessen den Koffer in die Küche. Kamerawechsel in die Totale: Das Haus explodiert.

Der Zuschauer wird sofort mitten ins Geschehen geworfen: der Nahostkonflikt befand sich Anfang der Achziger Jahre einmal mehr auf einem Höhepunkt. Seit dem Ende der Mandatszeit Großbritanniens über Palästina und der Staatsgründung Israels finden auf beiden Seiten quasi andauernde Kämpfe statt. Der Film spielt kurz nach dem 1978 abgeschlossenen Friedensabkommen in Camp David, dem israelisch-ägyptischen Friedensvertrag von 1979, dem Mord an Sadat und dem völkerrechtlich nicht anerkannten „Jerusalemgesetz“. Fiktion und Realität treffen sich zeitlich, wenn sich erneut die Fronten erhärten: im Ersten Libanonkrieg 1982. Dieser Hintergrund bildet die gereizte Stimmung, angestachelt durch vereinzelte Attentate im sogenannten Westen.

Ortswechsel: Wir befinden uns in Dorset, hier spielt Charlie (Diane Keaton) am Theater. Später sehen wir sie im Publikum zu einem Vortrag eines palästinensischen Extremisten. Martin Kurtz (Klaus Kinski), Chef einer israelischen Organisation, macht sich dies zu Nutze und rekrutiert sie: Charlie soll sich in eine palästinensische Organisation einschleusen und in deren Militärcamp eine Ausbildung machen. Dadurch soll sie an den führenden palästinensischen Terroristen Khalil (Sami Frey) herankommen und einen jüdischen Professor der Hebrew University töten – angeblich um weiteres Blutvergießen zu verhindern. Das Attentat ist während eines Vortrags an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg geplant.

Charlie kommt in einem Schwarzwaldhaus außerhalb Freiburgs unter. Man sieht sie im Colombi-Hotel Kaffee trinken, während sie die Vorgänge draußen – ganz in Kalter-Kriegs-Manier á la James-Bond-Filme hinter Zeitungen und Sonnenbrillen – observiert. Sie ist dort mit einem Auto des „Arzneimittelschnelldienstes, Gebr. Keller, Heinrich-von-Stephan-Straße, Freiburg“ unterwegs. Mit dem Koffer, in dem sich die Bombe befindet, in der Hand läuft sie an Studierenden und den „Philosophen“ vor dem Eingang des KG I vorbei in Richtung Institut für Öffentliches Recht (Verwaltungsrecht/Kirchenrecht). Dort klingelt sie ungeduldig und geht schließlich hinein.

Keatons Charakter gerät zwischen die Fronten zweier Extreme, die sich lediglich in einem einig sind: konsequente Gewaltanwendung als Notwendigkeit. Das macchiavellistische Dogma „Der Zweck heiligt die Mittel“ wird im Film aber gerade deshalb immer wieder in Frage gestellt. Bilder, die uns nur allzu bekannt sind tauchen auf und lassen den Film aktueller denn je erscheinen: Arabischer Gefangener, bis auf die Unterwäsche ausgezogen, Hände auf dem Rücken gefesselt, einen Sack über den Kopf gestülpt, liegt er zusammengekrümmt da. Erinnerungen an die Ereignisse in Abu-Ghraib kommen unweigerlich auf. Begriffe wie Genfer Konventionen erscheinen auch hier als scheinbar bloße Worthülsen.

George Roy Hill (Der Clou, Butch Cassidy and the Sundance Kid) führte Regie bei der „Libelle“ – eines von 13 verfilmten Romanen des Schriftsteller John le Carré. Letzterer beschäftigt sich praktisch in seinem gesamten Werk mit Themen des Kalten Krieges, der Problematik im Nahen Osten und dem Individuum darin. Die Geschichte ist vielleicht ein wenig zu kompliziert für einen Film, viele Charaktere und Positionen verwirren zunächst. Die Aktualität des Themas, das intensive Spiel Keatons und die Freiburg-Bilder machen dies aber wieder wett.

Text: Jennifer Borrmann, 15.11.2010

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