Safari – Isolation des Grotesken
Am Freitag kommt “Safari” von Ulrich Seidl in die deutschen Kinos. In seinem neuesten Werk dokumentiert der Österreicher den Urlaub von Großwildjägern.
„Und, hat dir der Film gefallen?“, höre ich einen Mann seine Begleitung nach dem Film fragen. Tatsächlich kann einem ein Film von Ulrich Seidl nicht wirklich gefallen. Die Grotesken, die Seidl in seinen Filmen hervorruft, sind wie abgestumpfte Schreckbilder. Etwas, das man zwar verabscheut, aber nicht fürchtet. Immer wieder hält die Kamera frontal drauf, während die Porträtierten dem Regisseur ihr Innerstes eröffnen. Was Seidl in Im Keller angefangen hat, führt er in Safari konsequent weiter. Safari ist gewissermaßen eine Fortsetzung von Im Keller.
Auf einer Jagdfarm irgendwo in Afrika begleitet Seidl 6 Personen auf Jagdurlaub. Auch eine vierköpfige Familie ist darunter, die ihren Urlaub mit ihrem Hobby verbindet – Familienurlaub auf der Jagdfarm. Die organisierte Wilderei ist ein florierendes Geschäft: ein Tier zu erlegen kostet mindestens einige hundert Euro, die Preise steigen mit Größe und Schwierigkeit. Die Jagdszenen werden immer wieder von Interviews unterbrochen, sowohl mit den Jägern, als auch mit den Betreibern der Farm. Sie erzählen von Ihrer Leidenschaft, dem Jagen: was sie dazu antreibt, was sie als nächstes gerne erlegen würden, was sie fühlen, in dem Moment, wenn sie den Abzug betätigen. Wie auch schon in Im Keller sind die Bilder dabei farblich und symmetrisch so perfekt, dass man an der Authentizität der Personen zu zweifeln beginnt.
Die afrikanischen Angestellten des Betriebes kommen nie zu Wort. Stumm blicken Sie in die Kamera. Man sieht sie meist mit den Jägern auf der Pirsch oder in langen frontalen Einstellungen, wie sie die Fleischreste verzehren. „Sie können schneller laufen“, sagt die Ehefrau des Betreibers einmal, „wenn sie denn wollen“. Das hinge mit der Muskelfaserstruktur in ihren Waden zusammen, ergänzt ihr Ehemann, und klingt dabei, als würde er über einen Geparden reden.
Ähnlich wie Im Keller offenbaren sich die verdrehten Realitätsvorstellungen der Protagonisten mit der Zeit immer mehr. Die Heroisierung des Jagens, der vermeintliche Kampf zwischen Mensch und Tier – das ist das eigentlich Groteske an diesem Film. Was im Gespräch als ebenbürtiger Kampf zwischen Mensch und Tier, als Erlösung des Tieres bezeichnet wird, wirkt im Jagdmitschnitt fast schon wie eine Hinrichtungsszene. Besonders grausam wirkt dabei die Jagd auf einen Giraffenbullen, der aus einer Entfernung von knapp hundert Metern erschossen wird. „Waidmannsheil“ beglückwünscht die Ehefrau ihren Mann, den Jäger. Die Bildsprache bleibt einzige Antithese zu den Aussagen. Ungeschminkte Frontalaufnahmen lassen diese Thesen fast schon stumpf wirken.
Safari ist am Ende so etwas wie der nächste Schritt nach Im Keller: ein Film, der seine Protagonisten entblößt, ihre ungeschönte Meinung zeigt, kontrapunktiert lediglich durch den Eindruck der eigenen Bilder. Aber was ist die Aussage von Safari? Man könnte meinen, es sei ein Aufruf zum Vegetarismus, eine Kampagne gegen Großwildjagd. Dennoch glaube ich nicht, dass das die Absicht des Österreichers war, es passt nicht zu Seidls Stil. Es geht mehr darum, das Groteske isoliert darzustellen, abgekoppelt von einem gesellschaftlichen Kontext, dargestellt in einem klaren, kalten Licht. „Hast du dich unwohl gefühlt?“, frage ich meine Begleitung. „Mehr als nur einmal“ antwortet er.
Text: Michael Griff, 15.09.2016 – Venedig’16