Ist das nun revolutionäre neue Kinokunst, oder einfach nur anstrengend und langweilig. Daran scheiden sich die Geister, aber eines ist klar: Angela Schanelec’ „Orly“ ist ein Film, der seinem Publikum vor allem Geduld abverlangt.
Vier Paare, vier Episoden, angesiedelt im selben Setting: der Wartehalle des Pariser Flughafens Orly. Während sich eine junge Frau vor dem Heimflug in einen Fremden verliebt, reist eine Mutter mit ihrem Sohn zu einer Beerdigung, gleichzeitig geht ein junges Paar während der Wartezeit immer stärker auf Distanz zueinander und eine allein wartende Frau traut sich endlich, den Brief zu lesen, mit dem ihr Ex-Mann zuvor die Ehe für beendet erklärt hatte. Klingt nach einem ganz normalen Episodenfilm? Ist es aber ganz sicher nicht!
Das merkt man von Anfang an daran, wie die Dialoge zwischen den Akteuren gespielt und inszeniert sind. Statt auf die Entwicklung einer Story und humorvoll-unterhaltsamen Schlagabtauschen setzt Schalenec auf etwas banaleres, wenn auch auf seltsame Weise naheliegenderes: die nackte Realität langweiliger Gespräche. Wenn nun etwas Bruno Todeschini und Natacha Régnier nicht nach den Regeln der klassischen amerikanischen Drehbuchschule aufeinandertreffen und nicht ein knalliges Ereignis sie zusammenbringt, sondern sie aus reiner Langeweile ein paar Worte wechseln, ist das zunächst einmal sehr respektabel und innovativ. „Die Charaktere haben nur eine Stunde Zeit und so viel kann man da eigentlich gar nicht machen“, kommentierte Regisseurin Schalenec und hatte damit nicht unrecht.
Das Problem ist: als Seherlebnis ist das nicht unbedingt immer so positiv zu betrachten. Konversationen zu folgen, die sich spontan assoziierend, aber wenig fantasievoll an der drögen Realität und der Langeweile des Moments entlanghangeln müssten sich die meisten Kinozuschauer eben doch mühsam antrainieren. Warum eigentlich, fragt man sich, schließlich gibt es sowohl tolle Episodenfilme über Leere und Pausen, etwa Jarmuschs „Coffee and Cigarettes“ und auch hervorragende, spontan inszenierte Dialogfilme, wie Linklaters „Before Sunrise“ und „Before Sunset“. Filme mit denen Schalenec’ „Orly“ – zumindest aus heutiger Sicht – einfach nicht mithalten kann.
Text: Martin Koch, 16.02.2010 – Berlinale’10