(USA 2008, 91 min, 35mm, 1:1.85)
In der ersten Einstellung wird die Kamera auf den Himmel gerichtet: weiße Wolken vor einem hellblauen Himmel ziehen vorüber. Kurz erinnert dies an die typischen Einschübe in Heimatfilmender 1950er Jahre, wo genau diese Szenen Idylle und positive Stimmung hervorrufen sollen. Doch die Wolken in M. Night Shyamalans neuem Film „The Happening“ bewegen sich durch den aufkommenden Wind immer schneller, formieren sich neu und werden schließlich dunkelgrau und lassen Böses erahnen.
Es wird also, wie in den meisten anderen Filmen des indischstämmigen Regisseurs, um Unheimliches, um Mysteriöses gehen. Wie in „The Sixth Sense“ (1999), „Signs“ (2002) und „The Village“ (2004) beginnt die Geschichte auch hier in der Stadt, in der Shyamalan aufgewachsen ist: in Philadelphia. Elliot Moore (Mark Wahlberg) ist Biologie-Lehrer und versucht, Schülern seine Begeisterung für Naturwissenschaften zu vermitteln. Er macht ihnen deutlich, dass der Mensch ohne Tiere und Pflanzen nicht überleben kann, dass wir die Natur niemals richtig verstehen werden. Szenenwechsel: Central Park, NY. Leute verharren langsam in ihrer Position, beim Gehen, beim Lesen, usw. Ganz plötzlich beginnen die – so scheint es – vergifteten oder hypnotisierten Menschen,sich selbst das Leben zu nehmen. Schnell verbreiten sich die Nachrichten über einen eventuellen terroristischen Angriff auf die USA. Elliot und sein Freund Julian (John Leguizamo) wollen mit ihren Familien einer Einladung von Julians Schwiegermutter folgen und die Großstadt verlassen. Im Zug erfahren die Protagonisten von weiteren „Übergriffen“ in Philadelphia und Boston, dann die gesamte Ostküste.
Als der Zug plötzlich hält und jeglicher Kontakt zu allem abgebrochen ist, müssen sich die Reisenden von nun an alleine durchschlagen. Julian sucht seine Frau, die nachkommen wollte, und hat seine Tochter Jess bei seinen Freunden gelassen. Die Flucht vor dem unsichtbaren Unheil scheint wie eineKatharsis für das junge Paar. Dem Zuschauer ist zu diesem Zeitpunkt mehr als deutlich gemacht worden, dass es nicht nur um eine etwaige Naturkatastrophe geht, sondern um das Wiederfinden der Zuneigung zueinander.
Die platteste Metapher dafür ist ein Stimmungsring, den Elliot bei sich trägt und den er einmal für seine Ehefrau Alma (Zooey Deschanel) gekauft hatte. Als diese ihn fragt, was denn die Farbe für die Liebe noch mal war, muss er gestehen, es vergessen zu haben, auch Alma kann sich nicht erinnern…
Mittlerweile ist klar, dass es die Pflanzen sind, die selbstzerstörerisch wirkende Toxine ausschütten, wenn sie sich bedroht fühlen – so schließt sich der Kreis zu den anfänglich angesprochenen Naturwissenschaften. Elliot merkt, dass die Empfindlichkeit der Natur geringer ist, je kleiner die Menschengruppen und so sind sie auf dem letzten Stück Weg dann auch nur noch zu dritt: er, Alma und Jess. Leider gibt das Drehbuch den Schauspielern keinerlei Raum, sich zu entfalten. Mark Wahlberg könnte wirklich mehr zeigen, wenn man ihm nicht Sätze wie „So darf es einfach nicht enden!“ in den Mund legte. Auf Nebencharaktere, die beim Zuschauer eine Erwartung wecken – etwa eine hintergründige Story – die dann aber nicht erfüllt wird, hätte man schlichtweg verzichten und dafür die Hauptrollen etwas mehr ausarbeiten können.
Der “Katastrophenfilm” ist sicher gut gemeint und zeigt doch Ansätze, an denen man arbeiten könnte. Aber auch als Zuschauer eines Unterhaltungsfilms möchte man nicht, dass dumpfe Dialoge und einfallslose Stilmittel einen jeglichen Mitdenkens berauben. Wenn jemand versucht, sehr viel Tiefgründigkeit zu vermitteln, übernimmt man sich dabei leider häufig und aus Tiefgründigkeit wird Oberflächlichkeit.
Angeblich ist Alfred Hitchcock einer von M. Night Shyamalans Lieblingsregisseuren. Vielleicht sollte er sich dessen Filme noch mal anschauen. Womöglich findet er dann wieder zu seiner Form zurück, die uns Spannung und Überraschungsmomente wie in „The Sixth Sense“ beschert hat.
Text: Jennifer Borrmann, 14.06.2008