2015 – Berlinale


Die diesjährige Retrospektive widmet sich der „Glorious Technicolor“, denn das Farbfilmverfahren zelebriert seinen 100. Geburtstag. Dies nimmt das Team einer der spannendensten Sektionen zum Anlass zum Teil sehr aufwendig restaurierte 34 Filme zu zeigen, die zwischen 1922 und 1953 gedreht, produziert, gezeigt und natürlich in Farbe gesetzt wurden. Unter den Filmen ist der älteste erhaltene Zwei-Farben-Technicolor-Film: „The Toll of the Sea“, aber auch der erste Realfilm in Drei-Farben-Technicolor: „La Cucaracha“. 1955 wurde das klassische Technicolor-Verfahren vor allem aus Kostengründen durch den günstigeren Eastman-Kodak-Mehrschichtenfilm abgelöst. Spezialkameras waren ab nun nicht mehr nötig. Was dazwischen geschah, welche wundersam farbenfrohen Filme erschaffen wurden – das werden wir uns in den nächsten Tagen ansehen.

Sa, 07. Feb, SNOW WHITE AND THE SEVEN DWARFS – SCHNEEWITTCHEN UND DIE SIEBEN ZWERGE

R: David Hand

USA 1937

Englisch

DER Technicolorfilm schlechthin! Der besondere Umgang mit Farben beinhaltet das Arbeiten mit Schattierungen. Schneewittchen umgeben sehr seichte helle Farbtöne (beispielsweise Pink und Mauve). Die Königin hingegegen umgeben dunkle Mischtöne, die später im Schwarzen aufgehen, wenn sie in den dunklen Abgrund stürzt. Der Film wurde 1939 mit einem Oscar ausgezeichnet.

Das Grimmsche Märchen erzählt die Geschichte der eifersüchtigen Königin und Stiefmutter, die die Tochter ihres Mannes in den Wald schickt, um sie durch einen Jäger töten zu lassen. Der hat Mitleid und sieh kann zu den 7 Zwergen fliehen. Die Königin jedoch erfährt von ihrem Aufenthaltsort, verwandelt sich in einer atemberaubenden Szene – eine Art Technicolorexplosion – in eine hässliche Hexe und will Schneewittchen mit einem vergifteten Apfel töten. Da kommt der Prinz ins Spiel…

Sa, 07. Feb, THE TOLL OF THE SEA – LOTUSBLUME

R: Chester M. Franklin

USA 1922

Englische Zwischentitel

D: Anna May Wong, Kenneth Harlan, Beatrice Bentley

Piano: Gabriel Thibaudeau

Eine Chinesin (Anna May Wong) rettet Allen Carver (Kenneth Harlan), einen Amerikaner, vor dem Ertrinken im Meer. Die beiden beginnen ein Verhältnis, sie wird schwanger. Doch der Mann kehrt in die USA zurück, ohne von seinem Kind zu wissen, und heiratet eine alte Jugendfreundin. Die „Lotosblume“ hat er vergessen. Erst Jahre später realisiert er bei einem Besuch, was geschehen ist. Seine Frau (Beatrice Bentley) ist bereit, das Kind, zu adoptieren. In dem Wissen, ihrem Sohn damit eine bessere Zukunft zu schenken, opfert sich die „Lotusblume“ und stürzt sich ins Meer… – Die original Schlusssequenz ist jedoch verschollen. Erst 1985 wurde sie mit einer Zwei-Farben-Kamera für die Restaurierung des Films nachgedreht.

So, 08. Feb, GONE WITH THE WIND – VOM WINDE VERWEHT

R: Victor Fleming

USA 1939

Englisch

D: Vivien Leigh, Clark Gable, Leslie Howard

Wieder ein Klassiker! Victor Flemings berühmter „Gone with the Wind“ mit Vivian Leigh als verwöhnte und – milde ausgedrückt – anstengende Scarlett O’Hara und ihrem Werber Clark Gable als Rhett Butler. Seit ich Carol Burnetts wundervolle Parodie zum ersten Mal sah, kann ich diesen Film nicht mehr ohne ein Schmunzeln sehen. Die Handlung spielt Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts in den Südstaaten der USA. Scarlett verliebt sich in ihren Nachbarn Ashley, der jedoch eine andere heiratet. Rhett Butler, ein Abenteurer, kommt in die Gegend und wirbt um die schöne Dunkelhaarige, die jedoch immer noch an Ashley denkt…

Während des Films waren alle damals existierenden Technicolor-Kameras im Einsatz: Sieben Stück. Farbe wurde hier intensiv zur Dramaturgie eingesetzt und an Nichts gespart: Gräser wurden schwarz bemalt, der Himmel in rot getaucht…

Mo, 10. Feb, THE WIZARD OF OZ – DAS ZAUBERHAFTE LAND

R: Victor Fleming

USA 1939

Englisch

D: Judy Garland, Frank Morgan, Ray Bolger

Die roten Schuhe! Judy Garlands rote Lippen, die grüne Hexe, die kunterbunte Welt von Oz, Somewhere over the Rainbow! „The Wizard of Oz“ läutet mit seinem Wechsel zwischen der realen grauen eintönigen Welt zum zauberhaften und wundersam colorierten Land Oz eine Zeitenwende ein. Im Kino wie in der Dramaturgie des Films und der Phantasie des Zuschauers im Nachhinein. Eine neue Welt eröffnet sich und so kann ein fiktives Märchen zu einem realen Wunsch nach einer neuen Heimat werden. Die Mischung aus realen Schauspielern, aus Animation, aus Musikfilm, Märchen und Wunschtraum macht den Film bis heute zu einem der wichtigsten Filme der Filmgeschichte. Die Geschichte ist schnell erzählt: Dorothy (Judy Garland) und ihr Hund Toto werden durch einen Wirbelsturm aus einer Farm in Kansas in das Land Oz gebracht. Dort treffen sie nicht nur Freunde…

Di, 11. Feb, SINGIN’ IN THE RAIN – DU SOLLST MEIN GLÜCKSSTERN SEIN

R: Gene Kelly, Stanley Donen

USA 1952

Englisch

D: Gene Kelly, Donald OʼConnor, Debbie Reynolds

Singin’ in the Rain“ ist nicht nur ein Stück Kinogeschichte, sondern erzählt auch davon: Und zwar vom Übergang vom Stumm- zum Tonfilm. 1927 kommt der erste Tonfilm, The Jazz Singer, in die Kinos und wird ein Kassenschlager. Alle Filmemacher, Produzenten, Studios, Drehbuchautoren (vor allem!) sind nun im Zugzwang. So soll das Stummfilm-Traumpaars Don Lockwood (Gene Kelly) und Lina Lamont ebenfalls in einem Tonfilm spielen. Jedoch ist Linas Stimme und ihre Audrucksweise recht ungeeignet dafür. Dons Loveinterest Kathy (Debbie Reynolds) soll Lina synchronisieren. Diese jedoch ist davon gar nicht begeistert…

Der Dreh im Studio steht hier auch im Vordergrund, gemalte farbenfrohe und in jeder Hinsicht als Pappe erkennbare Hintergründe – führen uns doch in eine Traumwelt. Das Hollywood der 20er und 30er Jahre wird als buntes Treiben und Ausprobieren – vor allem mit dem künstlerisch aufwendigen „Broadway Ballet“ dargestellt.

Mi, 12. Feb, SCARAMOUCHE – SCARAMOUCHE, DER GALANTE MARQUIS

R: George Sidney

USA 1952

Englisch

D: Stewart Granger, Eleanor Parker, Janet Leigh

Frankreich, 18. Jahrhundert. Die Revolution hat noch nicht stattgefunden, doch Unruhen zwischen dem Adel und dem aufbegehrenden Bürgertum sind bereits an der Tagesordnung. Aufwieglerische Texte sorgen immer wieder für Unruhe. Dessen Autor wird eines Tages vom Marquis de Maynes bei einem Duell getötet. Der Bruder des Toten (Stewart Granger) schwört daraufhin Rache und erlernt hierfür die Kunst des Fechtens – durch seine ehemalige Geliebte Lenore (Eleanore Parker). Als Narr „Scaramouche“ zieht er derweil mit einer Gauklertruppe umher. Dabei muss er sich auch noch um seine vorgebliche Schwester (Janet Leigh) Sorgen machen, in die sich der Marquis verliebt hat. Am Ende bekommt Stewart Granger nun doch noch Janet Leigh und Eleanore Parkers Charakter ergattert sogar einen kleinen Mann aus Korsika…

Farben werden hier recht konventionell eingesetzt: Wie bereits bei „Sheperd of the Hill“ sind zahlreiche Außenaufnahmen in gedämpften und matten Erdfarben gehalten, während die Gaukler-Szenen mit viel Rot auf das Theatralische und Burleske zielen. Auch in der Nationalversammlung werden Farben eingesetzt, um Gegensätze deutlich zu machen: Der Adel ist sehr farbenfroh in Szene gesetzt, während die Aufbegehrenden aus dem Bürgertum eher dunkel inszeniert werden.

Mi, 12. Feb., AN AMERICAN ROMANCE

R: King Vidor

USA 1944

Englisch

D: Brian Donlevy, Ann Richards, Walter Abel

Nach seiner Rolle als Dr. Svoboda in Fritz Langs zeitgenössisch brandaktuellem „Hangmen Also Die!“ – der hauptsächlich von und mit Emigranten entstand – stellt Brian Donlevy in „An American Romance“ selbst den Emigranten dar. Der Film ist die Geschichte des geradlinigen Aufstiegs, des American Dreams schlechthin, der Geschichte des Tellerwäschers zum Millionär.

Als Stefan Dangosbiblichek gelangt er Ende des 19. Jahrhunderts nach Ellis Island, Jahe später hat er sich sein Leben als Großfabrikant in Detroit aufgebaut – jedoch Gewerkschaften missachtend und generell Arbeitnehmerrechte wenig Gehör schenkend. Das bringt ihm nicht nur Ärger mit seinen Untergebenen ein, sondern insbesondere auch mit seinem Sohn.

Der Film strotzt nur so von Patriotismus und dem festen Glauben an den sozialen Aufstieg, der immer verbunden zu sein scheint mit dem kapitalistischen Erfolg. Gleichzeitig erzählt der Film von den wichtigsten Emigrantenphasen des frühen 20. Jahrhunderts und den kriegerischen Auseinandersetzungen. Am Ende, dem 4. Juli, wird noch einmal kräftig das Technicolor eingesetzt – mit einer Art Vorausschau auf die kommenden Jahre: einer Blütezeit für Arbeiterkollektive.

Do, 13. Feb., BLOOD AND SAND – KÖNIG DER TORREROS

R: Rouben Mamoulian

USA 1941

Englisch

D: Tyrone Power, Linda Darnell, Rita Hayworth

Stierkämpfer Juan (Tyrone Power – der ungefähr so viele Gesichtsausdrücke besitzt wie ein aktueller kritikresistenter Tatortkommissar) geht ein Stelldichein mit der aufreizenden Doña Sol (Rity Hayworth) sein, während seine Ehefrau (Linda Darnell) immer mehr vereinsamt. Seinen Hedonismus jedoch muss er irgendwann bezahlen… versucht diesen jedoch mit einem wichtigen Kampf in der Arena aufzuhalten.

Regisseur Rouben Mamoulian malte selbst am Set, um Gegenstände alt aussehen zu lassen. Dabei griff er nach eigenen Aussagen immer wieder auf den Einfluss von Goya, El Greco, Velázquez und Murillo zurück. Im Gegensatz dazu beeindrucken die Szenen in den Arenen durch gleißendes Sonnenlicht und der dadurch wundervoll verschwommenen Protagonisten. Christine Brinckmann schreibt dazu: „Diesem Effekt kommt zugute, dass die Farben im damaligen Technicolor-Verfahren leicht ins Schwarz abgleiten konnten, sobald zu wenig Licht herrschte: ein im Grunde unschöner Effekt, der in Blood and Sand jedoch zum Vorteil gewendet wird. Denn nur jene Bereiche des Filmbildes, auf die Licht fällt, erstrahlen in Farbe, während der Rest in Unheil verkündendem Dunkel bleibt.“ (Christine N. Brinckmann in „Glorious Technicolor“, dem Buch zur Retrospektive 2015)

Do, 13. Feb., THE SHEPERD OF THE HILLS – VERFLUCHTES LAND

R: Henry Hathaway

USA 1941

Englisch

D: John Wayne, Betty Field, Harry Carey

Ein Film, der vielleicht nicht gleich ind´s Gedächtnis kommt, wenn es um Technicolor geht. Seine Farben liegen eher im Matten. Erdfarben bestimmen die Farbgebung. Es sind jedoch diese natürlichen Farben, die der Geschichte ihre „Realität“ gibt und sie als „echte“ Handlung illustriert.

Harry Carey ist der Fremde, der auf eine Dorfgemeinschaft in den Bergen stößt, weil er sich dort niederlassen will. Er kauft ein Stück Land, aber nicht nur das macht die misstrauische Bevölkerung auf ihn aufmerksam. Nach und nach kommt heraus, wer er wirklich ist, welche Verbindung er letztendlich mit diesem Land hat und welch tragische Folgen sein Auftauchen hier hat.