[Rec]


(Spanien 2007, 83 min, 35mm, 1:1.85)

 

Hat man alle Klassiker des Zombie-Genres bereits gesehen, dann verursachten die beisswütigen Untoten der Zombiefilme der vergangenen Jahre eher Lachanfälle statt Angstschweiß. Bis jetzt: [Rec] von Jaume Balagueró und Paco Plaza wird als der beste Zombiefilm seit “Night of the living Dead” gehandelt und schickt selbst hartgesottene Horrorfans auf eine wohlige Achterbahnfahrt der Panik.

Fernsehmoderatorin Àngela (Manuela Velasco) und ihr Kameramann Pablo filmen für die Fernsehsendung „Während Sie schlafen“ Dinge, die nachts geschehen, im Dunkeln; Dinge, die passieren während die Mehrheit der Bewohner Barcelonas schläft.

In dieser Nacht sind die beiden zu Besuch bei der Feuerwehr der Stadt. Betont gut gelaunt kommentiert die geübte Unterhaltungs-Plaudertasche Àngela, wie sich der Alltag der Feuerwehrmänner gestaltet: Abendessen, Schlafplatz, Basketballspiele. Langweilige Szenen werden hier im “Film im Film” für die TV-Zuschauer aufgeputscht – Reality-Show eben.

Mitten im Spiel heulen die Sirenen. Gerufen werden sie zu einer Frau, die lauthals aus ihrer Wohnung heraus schreit und das gesamte Wohnhaus erschreckt. Das Fernsehteam und die Feuerwehr werden von den Hausbewohnern unten im Eingangsbereich des Treppenhauses erwartet. Schnell gehen die Neuankömmlinge hoch in die Wohnung, das Fernsehteam darf mit. Pablo hat man bisher noch nicht gesehen. Es ist ein Film im Film: Der Kameramann der Show, der nie zu sehen sein wird, ist in diesem Fall tatsächlich auch der Kameramann des Films. À la Blair Witch Project wird – wie der Titel schon sagt – mit Wackelkamera einfach alles aufgenommen, wenn es sein muss mit Infrarotlicht.

Vor der Linse in der Wohnung bietet sich folgender Anblick: eine alte Frau mit schlohweißem langen Haar, das ihr am Gesicht klebt, und einem blutverschmierten weißen Nachthemd steht am Ende des Flurs in einem Zimmer. Der vage Ansatz von Licht bietet eine schaurige Atmosphäre. Sie verkrampft ihre Hände im Schlafkleid und wiegt sich hin und her. Man weiß genau, wenn sich im Horrorfilm in einer spannenden Szene zu lange niemand oder zu langsam bewegt, passiert es gleich. Die Polizei geht also vor der Kamera her, mit gezogenen Waffen, langsam. Àngela kommentiert leise weiter, Pablo hält weiter drauf, um ja nichts auszulassen. Die Frau hat sich nicht bewegt und so wähnt sich der erste Polizist in Sicherheit und geht auf sie zu – plötzlich springt sie ihn an, beißt ihm in den Hals und läßt nicht mehr los. Schreie, Panik, Schüsse, Hektik. Man versucht den armen Mann zu retten und bringt ihn herunter, ein anderer Polizist aber muss oben bleiben, um sicher zu gehen, dass die Alte nicht herauskommt.

Unten im Treppenhaus wird nach einem Arzt gesucht. Dann – Ein lauter Knall: Die Leiche des in der Wohnung verbliebenen Polizisten fliegt durch die Mitte des Treppenhauses auf den Fließenboden. Wieder wird geschrien, gekreischt, gezittert. In Panik versuchen sie den verletzten Feuerwehrmann nach draußen zu bringen, doch die Tür ist verschlossen. Das Haus von außen verriegelt und beschwichtigende Rufe der Polizei von draußen teilen den Insassen mit, daß erst die Situation innerhalb des Hauses geklärt werden müsse. Es handelt sich um eine ABC-Maßnahme, alle stehen unter Quarantäne, niemand kommt raus. Gleichzeitig scheinen die Verletzten wieder wach zu werden. Natürlich ist es – horrorfilmüblich – für eine Rettung zu spät.

Es wird aggressiv weitergebissen.

Man weiß bei [Rec] oft nur zu genau, was gleich auf der Leinwand geschehen wird und trotzdem starrt man gebannt drauf. Es sind eben gerade die typischen Horrorfilmeffekte und -mittel, die immer wieder aufs Neue funktionieren. Die Reality-Show-Technik und Wackelkamera ermöglichen in Zeiten von Live-Reportagen und voyeuristischem Verhalten der Fernsehzuschauer, die persönliche Geschichten Fremder zum Mittagessen sehen, die Illusion größtmöglicher Authentizität.

Das Besondere am Film ist vor allem die Sprache: Das schnelle, hektische Spanisch von Àngela wirkt sich auf die Herzschlagfrequenz des Zuschauers aus. Von einer Synchronisation wird hoffentlich abgesehen. Die Spannung im Film wird konsequent durchgehalten, es gibt kein Durchatmen, 78 Minuten lang. Zombieklassiker mit fantastischen Schockelementen!

Die beiden spanischen Regisseur sind horrorerfahren: Jaume Balagueró ist 2002 mit dem Horrorgrusel „Darkness“ (2002) hervorgetreten und Paco Plaza drehte bereits mehrere Horrorfilme. In den USA wird (leider) bereits an einer Neuauflage gearbeitet: „Quarantine“.

 

Text: Jennifer Borrmann, 09.05.2008

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *