2006 – Far East


Far East Film 8

Udine, 21.04 – 29.04.2006

Peter Clasen berichtet vom Festival für asiatische Filme in Udine,21.4.-29.4.2006

Da war sie wieder, die große bunte Wundertuete mit über 70 Filmen aus ganz Asien, dazu eine Handvoll Musicals in der Retrospektive. Rund 20 Regisseure und Schauspieler kamen angereist, am prominentesten wohl WAI Kai-fai, bekannte als rechte Hand von Johnnie To (der wieder eine kleine Video-Botschaft schickte), sowie der hoch betagte INOUE Umetsugu, dem eine kleine Regisseurschau gewidmet war.

Komoedien

Fangen wir mit lauter „Nettem“ an. „The Shopaholics“ spiegelt das atemlose Tempo Hongkongs wie derzeit wohl kein zweiter Film. Es geht um Leute mit gestörtem Konsumverhalten – manisch, phobisch, wahnwitzig. „I’ll Call You“ ist eine tragikomische Beziehungsfrust-Studie junger Leute. Ein kleiner Independent-Streifen, der lebhaften Gebrauch von der digitalen Trickkiste macht, aber keine wirkliche Geschichte erzählt. „Ein Film, der Mut macht“ hätte man früher „2 Become 1“ genannt – Brustkrebs ist das Thema. Oder ist es doch nur ein Ratgeberbuch, das sich als Kinokomödie maskiert hat? Die Nr. 4 dieser kleinen Abteilung kommt aus Südkorea, „When Romance Meets Destiny“, und der Unterschied ist denn auch enorm: Wo das kleine Hongkong billig bleiben muss, weil es in erster Linie seinen Minimarkt bedient, kann Südkorea aus dem Vollen schöpfen und glänzt in gediegenster Machart. Glücklicherweise stimmt aber auch der kreative Einsatz. Viele (Teen- / Twen-) Komödien aus Südkorea haben ein Niveau, wie wir es aus Hollywood schon lange vermissen: intelligent, aufbauend, ohne Fäkalhumor.

The Shopaholics (Hongkong 2005; R: Wai Ka-fai; D: Cecilia Cheung (= Fong Fong-fong), Lau Ching-wan (= Choosey), Jordan Chan (= Richie Ho), Ella Koon (= Ding Ding-dong), Paula Tsui (= Phoenix Luk): Krankenschwester Fong schwelgt im ungehemmten Kaufrausch, seit sie als Baby im Kaufhaus zwischen Nobelklamotten ausgesetzt wurde. Sie wendet sich an den Psychiater Choosey, der das entgegengesetzte Problem hat: Er kann sich nie entschieden – und wenn doch, ist der Artikel gerade ausverkauft. Weil die Stelle gerade frei wird, avanciert Fong sogleich zu seiner Sprechstundenhilfe – als auch zum Objekt seiner Begierde. Auftritt Richie. Als verschwenderischer Sohn eines geizigen Immobilienbesitzers ist auch er ein Shopaholic, und auch er macht Fong Avancen. So müsste sie sich zwischen den Männern entscheiden, die unter den Reichsten der Stadt die Plätze 38 und 39 belegen – wobei sie natürlich gern beide auf einen Schlag hätte. Doch damit nicht genug, haben Choosey und Richie eine gemeinsame Ex, die sich nun wieder blicken lässt: Ding Dong mit dem Schnäppchen-Fimmel. Alle vier wollen heiraten – doch wer passt zu wem? – Schnell, hektisch, atemlos; Sehr gut ausgeheckt, schreit direkt nach einem Hollywood-Remake. Doch irgendwann nur noch chaotisch und kaum mehr zu verstehen. Leider auch fast durchweg mit billiger Synthie-Musik unterlegt.)

I’ll Call You (Hongkong 2006; R: Lam Tze-chung; D: Alex Fong Lik-sun (= Manny), Viann Liang (= Karen Leung), Lam Suet (= Mannys Vater), Andy Lau (= Muscle Man / Waerter 333): Manny, ein junger Bueroangestellter, trifft sich mit TV-Moderatorin Karen – einmal, zweimal, hundertmal. Fuer ihn ist es die grosse Liebe, doch Karen meint, sie sei noch nicht so weit. Manny zaehlt auf, was ihn an Frauen alles nervt – dass sie staendig zu spaet kommen, immer Haendchen halten wollen usw., doch die Sehnsucht bleibt. Er fuehlt sich hilflos und wie im Knast – und sitzt tatsaechlich hinter Gittern. Der Waerter (Andy Lau im „Running on Karma“-Fat-suit) troestet ihn mit schnulzigen Liedern und gibt ihm ein paar Tips… Die Kamera schwenkt eine Zelle weiter: Dort sitzt – Karen!)

2 Become 1 (Tin Sang Yat Deui; Honkong 2006; R: Law Wing-cheong; P: Johnnie To; D: Miriam Yeung (= Bingo), Vincent Cheung (= Richie Jen), Lam Suet: Werberin Bingo landet mit einem Typ auf der Matratze, der sofort ihre Brust befingert. Natuerlich wirft sie den Perversling umgehend raus. Erst etwas spaeter erfaehrt sie, dass Jen ein Arzt ist. Er meint ein Knoetchen bei ihr gefuehlt zu haben und raet zu einer Untersuchung. Tatsaechlich hat Bingo Brustkrebs, es muss amputiert werden. Bingo geht die Sache optimistisch an, weiht auch ihre besten Freundinnen ein, aber dann kommt doch die Panik hoch. Auf der Suche nach alternativen Heilmethoden geraet sie an einen betruegerischen Wunderdoktor, spaeter versucht sie sogar Selbstmord. Arzt Jen, den sie die meiste Zeit mit Nichtbeachtung straft, plagt sich derweil mit einer Impotenz, an der er seit dem Rausschmiss leidet…)

When Romance Meets Destiny (Suedkorea 2005; R: Kim Hyun-seok; D: Kim Joo-hyuk (= Gwang-sik), Bong Tae-gyu (= Gwang-tae), Lee Yo-won (= Yun-kyung), Kim Ah-joong (= Kyung-jae): Kwangshik war schon immer extrem schuechtern, aengstlich, defensiv, ein durch und durch depressiver Charakter. Sein juengerer Bruder Kwangtae dagegen hat ‘ne freche Schnauze, ist der totale Draufgaenger – trinkt aber zuviel. 1997, als Freshman, liebte Kwangshik eine Junior-Mitschuelerin – doch ein anderer schnappte sie ihm vor der Nase weg. Jetzt, 2004, treffen sich beide bei einer Hochzeitsfeier wieder. Er ist inzwischen Fotograf, sie war ein paar Jahre in den USA. Beide tauschen alte Erinnerungen aus – besonders die peinlichen Momente, die bei Kwangshik ja zahlreich waren –, und bald scheint es so, als koennten beide endlich zusammenkommen – da graetscht wieder jemand dazwischen, diesmal der eigene Fotoassistent Ilwoong. Tatsaechlich hat der kleine Bruder, der sich momentan um eine Buchbinderin bemueht, die Sache verbockt – wenn er saeuft hat er fatale Blackouts. Kwangshik und Kwangtae gehen beide leer aus – doch neues Spiel, neues Glueck: Am Ende lernt jeder ein neues Maedel kennen, und vielleicht wird ja diesmal was daraus… Extrem charmanter, hoch amuesanter, herziger Film ueber die Beine, die wir uns selbst stellen, und die Chancen, die uns das Schicksal bereitstellt – man(n) muss sie einfach nur nutzen.)

Liebesdramen

Einmal Thailand, dreimal Suedkorea: Junger, schuechterner Mann trauert einer Liebe hinterher, zu der er sich nie bekannte, waehrend eine andere Frau nun wiederum ihn begehrt, sich aber zuruecknimmt, weil sie keine Chance zu haben glaubt… Das ist „Dear Dakanda“ aus Thailand, schoen fotografiert, aber sehr langsam und etwas unzugaenglich. Beim suedkoreanischen „Rules of Dating “ eskaliert der Austausch von Gefuehlen zum Fall fuer die Justiz. „You Are My Sunshine“, „based on a true story“ und grandios gespielt, erzaehlt von der Liebe eines Bauern zu einer Hure. Vom Plot her eine Kitschtragoedie, tatsaechlich ernsthaft dramatisch, tief bewegend, am Ende mit einer der ergreifendsten Szenen, die man je gesehen hat. Zum Schluss „All For Love“, die Suedkorea-Ausgabe von „Short Cuts“ meets „Tatsaechlich… Liebe“, ein episodisches Melodram ueber 7 Tage im Leben von einem Dutzend Menschen in Seoul. Bestes Entertainment, aber selbst auf DVD wird man diesen Film wohl nicht bei uns zu sehen kriegen.

Dear Dakanda (Thailand 2005; R: Khomkrit Treewimol: Im Kunststudenten Kaiyoy scheint es zu rumoren, er braucht einen radikalen Wandel. Erst laesst er sich die langen Haare radikal kurz schneiden, dann nimmt er den Zug an die Kueste, faehrt mit der Faehre aufs Meer – und bricht sich dort ein Bein. Eingegipst im Krankenhaus liegend, erinnert sich an das, was ihn so aufwuehlte: Vor vier Jahren begegnete er seiner Kommilitonin Dakanda, unternahm viel mit ihr – wagte es aber nie, ihr seine Liebe zu gestehen. Nun, im Krankenbett, schreibt er Briefe an sie. Die jungen Krankenschwestern moegen Kaiyoy und flirten mit ihm – ganz besonders die aufgeweckte Nui. Heimlich verliebt sie sich in ihn, entfuehrt Kaiyoy auch mal an den Strand, gibt ihre Hoffnung aber auf, als sie sieht, dass Kaiyoy in seinem Skizzenblock fast immer nur Dakanda gezeichnet hat…)

Rules of Dating (Suedkorea 2005; R: Han Jae-rim: Junger Lehrer datet junge Lehrerin. Was normal erscheint, offenbart immer tiefere Abgruende. Sie haelt ihn zwar fuer einen Stalker, laesst sich fuer gutes Geld aber auf seine Avancen ein, schliesslich habe ihr jemand das Herz gebrochen. Bald behauptet ein anonymer Eintrag auf der Schul-Website, dass sie eine Schlampe sei, die schon Ehen ruiniert habe und deshalb auch die letzte Anstellung verlor. Die Schule, die die reinste Geruechtekueche ist, sieht sich bemuessigt, eine Untersuchungskommission mit dem heiklen Fall zu betrauen… Sarkastische Moritat ueber den modernen, beziehungsgestoerten, ja traumatisierten Menschen: Was ist noch Liebe, was schon Belaestigung? Die Loesung liegt im geteilten Leid: Erst als beide die gleiche, niederschmetternde Erfahrung gemacht haben, begegnen sie sich auf Augenhoehe – und koennten tatsaechlich zueinanderkommen…)

You Are My Sunshine (Neoneun nae unmyeong; Suedkorea 2005; R: Park Jin-pyo; D: Hwang Jeong-min (= Seok-joong), Jeon Do-yeon (= Eun-ha), Seo Ju-hee (= Gyu-ri): Bauer Seok-joong ist ein kraeftiger Bursche, gutmuetig, etwas naiv, schuechtern – und mit seinen 36 Jahren sexuell noch voellig unerfahren. Als er endlich mit einer Hure schlaeft, verliebt er sich sogleich in sie. Ruehrend buhlt er um ihre Gunst, doch Jeon Do-yeon – angeblich 24, tatsaechlich 27 – fuehlt sich nur belaestigt. Erst als er sie vor einem anderen, ueblen Kunden rettet, stellt sie fest, wie unendlich nett er eigentlich ist; dabei hatte sie schon geglaubt, sie bringe Unglueck. Beide heiraten und verleben schoene Flitterwochen. Dann folgt ein Schicksalsschlag dem andern: Ein Stalker hat Jeon Do-yeon endlich aufgespuert, vergewaltigt sie umgehend, und ein Mann vom Gesundheitsamt bringt schlimme Nachrichten…)

All For Love (Suedkorea 2005; R: Min Kyu-dong: Ein grummeliger Kinobesitzer soll seinen maroden Betrieb an Investoren verkaufen, die hier eine Mall hochziehen wollen… Er ist in eine aeltere, elegante Kioskbetreiberin verliebt, die ihn an Audrey Hepburn erinnert – und Magenkrebs hat… Ein Sportstar hat radikal abgebaut: Sein todkrankes Toechterchen liegt im Krankenhaus – doch nur zu PR-Zwecken sucht er sie jetzt auf… Ein ungehobelter, unbeherrschter Polizisten-Macker frisst einen Narren an einer Neurophysiologin, die ihm tuechtig Contra gibt… Ein menschlich schwieriger Alleinerzieher, Vater eines kleinen Sohns, war vorher mit dieser Neurophysiologin verheiratet, ehe er seine schwule Ader entdeckte. Er braucht Ueberwindung, um eine maennliche Haushaltshilfe einzustellen – und ist erschuettert, als sich sein Ex-Liebhaber vor die U-Bahn wirft… Ein Strassenverkaeufer mit massiven Schulden eilt wenig glueckhaft von Tuer zu Tuer – tut zuhause aber so, als wuerde jeden Tag noch immer in die Firma gehen… Seine Ehefrau verdient ein wenig hinzu, indem sie vor der U-Bahn Reisroellchen an Bueroangestellte verkauft… Ein junger Popstar faehrt „freihaendig“ im Sportflitzer – und erwacht entsprechend laediert im Krankenhaus. Ein Maedchen, das Nonne werden wollte, dann aber Selbstmord versuchte, kuemmert sich liebevoll um ihn… Die Wege mehrerer dieser Menschen kreuzen sich, als der schwule Vater seinen Sohn an die Ex zurueckgeben muss, ihr Freund, der Cop, ihn kurz unbeaufsichtigt laesst – und der Kleine gekidnappt wird… Schoener Film voller unschoener Themen: Krebsleiden, Selbstmordversuch und Tod, Arbeitslosigkeit und Verarmung, Zukunftsangst und Verzweiflung…)

Hongkong Specialities

Zwei Filme ohne rechte Einordnung, der eine obskur, der andere das erste grosse Meisterwerk des Festivals. „Superkid“, ein Kinderdrama ueber die Menschwerdung einer Intelligenzbestie, garniert mit Oekobotschaft („Spielen in freier Luft ist gut!“) und Mutterkonflikt. Und „Isabella“, ein melancholisches Filmkunstdrama in atemberaubend schoenen, voll ausgereizten Scope-Bildern ueber ein Leben im Uebergang: In einer Zeit, die zuende geht (nach 400 Jahren portugiesischer Herrschaft geht Macao zurueck an China), schliessen sich zwei Menschen zusammen, deren Zukunft genau so ungewiss ist wie ihre Vergangenheit – und die Gegenwart. „Beyond Our Ken“-Regisseur Pang Ho-cheung drehte damit einen der raren Filme, die, topografisch und zeitlich nur leicht versetzt, das Gefuehl der (politischen) Unsicherheit im heutigen Hongkong spiegeln.

Superkid (Chiu Baan Bo Bo; Hongkong 2006; R: Cha Chuen-yee; D: Harashima Daichi, Cho Jung-eun: Si Zhe ist das Vorzeigekind des Nahrungsmittelkonzerns „Super Baby“, der Kinder haelt und mit einer speziellen Diaet aus genmanipulierter Kost auf Hyperintelligenz zuechtet. Doch die Kleinen wissen nicht, was Liebe oder Glueck bedeuten. Si Zhe, das gefuehllose Genie mit einem IQ von 180, flieht zu seiner Internet-Freundin, dem immer laechelnden Schulmaedchen Xin Tong, und uebernachtet bei ihr und ihrem allein erziehenden Vater. Waehrend „Super Baby“-Agenten ausschwaermen, um Si Zhe zu finden, reissen Si Zhe und Xin Tong aus, um ihre in den USA lebende Mutter zu suchen… Junk-food, boese Konzerne, dysfunktionale Familie, Kinderslapstick, totales Tohuwabu… Plakativ und ungeschliffen gemacht, mit graesslicher Synthie-Musik unterlegt, das pure Paedagogik-Grauen.)

Isabella (Yi Sa Bui Lai; Hongkong 2006; R: Pang Ho-cheung; K: Charlie Lam (Scope); D: Chapman To (= Cop Ching), Isabella Leong (= Yan), JJ Jia, Derek Tsang (= Schueler), Anthony Wong, Shawn Yue: Macao, 1999 – kurz vor dem Handover (der am 20.12.1999 erfolgt): Schuelerin Yan, 16 Jahre alt, verkauft sich in den Bars der Stadt – so wie ihre Mutter, die an Lungenkrebs starb und die sie so sehr vermisst, dass sie manchmal kotzen muss. Polizist Ching verbietet ihr das Rumhuren – auch er hatte was mit ihrer Mutter, und Yan koennte seine Tochter sein, vielleicht ist sie’s auch, jedenfalls behauptet sie das. Als Yan ihre Miete nicht mehr bezahlen kann und der boese Vermieter sogar ihr Huendchen Isabella vor die Tuer setzt, zieht sie ins pittoresk verwohnte Apartment von Ching. Waehrend sie eifersuechtig seine diverse Sex-Freundinnen vertreibt, versucht Ching mit sich ins Reine zu kommen: Wie die meisten seiner Kollegen war auch er nicht immer sauber, doch immerhin hat er ueberlebt und Anstand im Leib: Dem drohenden Knast sieht er gefasst entgegen…)

Jugenddramen und Gewalt an der Schule

Hollywood hat weitgehend verlernt, Filme zu drehen, die die Probleme der jüngeren Zuschauer noch wirklich ernst nehmen. Die nachfolgenden Beispiele aus Hongkong (1) und Suedkorea (3) zeigen, dass es geht. „2 Young“, ein romantisches Teendrama ueber jugendlich-naiven Freiheitsdrang und repressive elterliche Arrangements, koennte Kitsch sein, ist es aber nicht. Einserseits ist der Ton teils angemessen ernsthaft, andererseits sind viele hochdramatischen Szenen zugleich radikal komisch. „The Art of Fighting“, „See You After School“ und „Bystanders“ behandeln das Thema, das fuer Suedkorea das bezeichnende dieses Genres ist: Gewalt an der Schule. „The Art of Fighting“ erzaehlt davon als Kampfkunst-Mentor-Movie, „See You After School“ als gehobene Problemklamotte und „Bystanders“ als grosses Kriminalmelodram.

2 Young (Jou Suk; Hongkong 2005; R: Derek Yee; D: Jaycee Fong (= Fong Ka-fu), Fiona Sit (= Lui Yeuk-nam), Anthony Wong, Candice Yu, Eric Tsang, Teresa Mo, Lam Suet, Derek Yee: Beide kommen aus verschiedenen Welten und ziehen sich doch ungeheuer an: Nam ist 16, Tochter eines schwer reichen Anwaltspaares (u.a. AW), Musterschuelerin. Fu ist 18, Sohn eines armen Minibusfahrers, etwas langsam im Kopf. Fu guckt immer nur, Nam ist es, die ihn anspricht. Eine zarte Liebe koennte ihren Lauf nehmen – wenn Nam nicht sofort und ungeplant schwanger wuerde. Eine Abtreibung koennte die Loesung sein, als Nam aber die medizinischen Geraete sieht, will sie das nicht mehr. Beide Vaeter wollen ihre Kinder am liebsten totschlagen – da fliehen Nam und Fu und richten sich heimlich in einem leerstehenden Haus am Stadtrand ein. Nam bereitet sich aufs Baby vor, Fu will Geld verdienen gehen – aber das ist verdammt schwer. Und zuhause gehen beide Elternpaare aufeinander los…)

The Art of Fighting (Suedkorea 2005; R: Sin Han-sol: Student Byungtae scheint der geborene Pruegelknabe. Sein Vater, der harte Polizist, holt ihn von der Uni und steckt ihn in eine Technikschule – wo Byungtaes Not nur weitergeht. Er will Kampfkunst lernen und sucht sich dafuer einen Lehrer. Nach einigen Schnackern findet er ihn in dem alten Oh Pansu. Der Auslaender wohnt in einer billigen Herberge, bis er endlich seinen Pass wiederhat. Man sieht Oh Pansu an, dass die zahlreichen Ratschlaege, die er Byungtae erteilt, die Essenz seines eigenen Lebens sind. 1.) Wenn man kaempfen will, braucht man zuallererst Geld – um die Arztrechnungen des Gegners zu bezahlen! 2.) Good fighters don’t fight! 3.) Misch dich nicht in die Auseinandersetzungen anderer Leute rein… Als der brutale halbstarke Paco und seine Bande einen alten Bekannten von Byungtae so uebel zurichten, dass der nach einer Not-OP stirbt, will Byungtae die 3 Schlaeger zur Rechenschaft ziehen. Dafuer – und das Oh Pansus wohl wichtigste Lektion – muesse Byungtae jetzt seine Angst ablegen… Ein Plot wie viele andere, das Budget auch nicht hoeher als ueblich, der grosse Unterschied ist die perfekte Beherrschung der filmischen Mittel (Kamera, Schnitt, Musikeinsatz) und eine lakonisch spannungsvolle, sozusagen schlackenlose Erzaehlweise, die stets direkt auf den Punkt kommt. Ein „kleiner“ Film, den man leicht uebersehen koennte, der vielen A-Produktionen aber weit ueberlegen ist.)

See You After School (Banggwa-hu oksang; Suedkorea 2006; R: Lee Seok-hoon: Dahl ist so ein extremer Pechvogel, dass er schon zum Objekt wissenschaftlicher Untersuchungen wurde. Als er nach einem Jahr wieder auf eine Schule darf, legt er sich am allerersten Tag gleich mit dem groessten Schlaeger an: „See you after school!“ heisst es, wenn um 18 Uhr auf dem Schuldach die Faeuste fliegen. Dahl zaehlt schon mal die Stunden „bis zu seinem Tod“. Oder hat der Loser doch noch eine Chance…? Akzentuiert mit diversen Popkultur-Reverenzen („Matrix“, Musicals, „Der weisse Hai“).)

Bystanders (Yu(6)-wol-ui ilgi; Suedkorea 2005; R: Im Kyung-soo: An einer Schule sterben kurz nacheinander zwei Schueler. Der erste wird abgestochen, der andere stuerzt in den Tod. Seltsam: Beide waren die besten, beliebtesten Schueler. Wer also sollte sie ermorden? Noch raetselvoller sind die Ergebnisse der Obduktion: In Leiche Nummer 2 wird eine Kapsel mit einem Stueck Papier gefunden – dem Mordbekenntnis an Leiche Nr. 1; im ersten Opfer steckt das gleiche fuer Leiche 2. Einziger Anhaltspunkt fuer die zwei Ermittler ist die Schrift auf den Papierfetzen – sie muss von einem Schueler stammen… Doch dieser Schueler starb vor einem Monat bei einem Autounfall… Beginnt als Serienkiller-Thriller, was er letztlich gar nicht ist. Thema ist das Mobben, Abziehen und Quaelen von Schuelern untereinander – und die Rache dafuer. Dabei greift der Film die bis hierher neueste Entwicklung auf: das Veroeffentlichen solcher Untaten im Internet. Entsprechend veraendert sich auch der Erzaehlstil von spannend-spektakulaer bis erschuetternd-dramatisch. Leider ist das alles nicht sooo aufregend: gut gemeint, gut gemeint, aber wenig spannend. – Hauptfiguren sind letztlich zwei allein erziehende Muetter, die sich nicht genug um ihre Kinder kuemmerten und daher genauso schuldig sind, wie jene Jungen und Maedchen (!), die sich an den Misshandlungen beteiligten – wie auch jene, die einfach nur hinsahen und wegguckten – die Bystanders / Zuschauer.)

Volksrepublik China

Nur vier aktuelle Filme kamen dieses Jahr aus der Volksrepublik China, drei davon konnte ich sehen. Der erste, „Gimme Kudos“, ist ein gesellschaftskritischer Filmkunstkrimi ueber die mitunter zweifelhafte Suche nach der Wahrheit – sehr verraetselt und somit sehr chinesisch. Hart, aber herzlich kam „You and me“ daher. Das Drama der schroffen Beziehung einer sehr jungen und einer sehr alten Frau ist das neueste Meisterwerk von Ma Liwen, von der vor wenigen Jahren schon das bittere Mutter-Tochter-Drama „Gone is the One Who Held Me Dearest in the World“ in Udine zu sehen war. „Loach is Fish Too“ schliesslich ist das zweite Meisterwerk des Festivals. Die Umwaelzungen und Verwerfungen der chinesischen Gesellschaft werden in Bildern gezeigt, die in ihrer kuehnen Kraft an die fruehen Filme von Zhang Yimou erinnern. Alles ist im Fluss, kein Stein bleibt auf dem anderen, was morgen ist weiss keiner. Menschen sterben, andere haben Glueck. Was bleibt, ist der Traum vom Wohlstand.

Gimme Kudos (VR China 2005; R: Huang Jianxin: Ein einfacher, dicklicher Mann, 40 Jahre alt, Yang sein Name, sucht den Zeitungsredakteur Gu auf: Er habe eine junge Frau vor einer Vergewaltigung gerettet und moechte dafuer mit einem lobenden Artikel bedacht werden. Gu schuettelt nur den Kopf, denn Yang bleibt die Beweise schuldig. Doch Yang beharrt auf seiner Heldentat, laesst nicht locker, kommt immer wieder – und bald kann Gu tatsaechlich das Beinahe-Opfer treffen. Die befragte Studentin weint zwar, streitet aber alles ab. Und fuer die Polizei ist der angebliche Tatort schon lange verbrechensfrei. Yang verwickelt sich zunehmend in Widersprueche, auch die Studentin gibt Raetsel auf – im fraglichen Vorfall scheint fuer beide eine Wahrheit verborgen, die viel weiter reicht. Als Gu mit seinem Assisten Tan Wei weiter ermittelt, geraet er selbst in eine existenzielle Krise…)

You and Me (Women lia; VR China 2005; R: Ma Liwen; D: Jin Yaqin (= Grandma), Gong Zhe (= Xiao Ma): Das alte Peking im Winter: Studentin Xiao Ma sucht haenderingend ein Zimmer. Eine alte, grantige Frau ueberlaesst ihr eher widerwillig eine Huette im Hof. Die Alte, die mit ihrer greisen Mutter zusammenlebt, will fuer jede Kleinigkeit Geld sehen und fuehlt sich immer schnell belaestigt. Die Studentin hat ihre Muehe, dagegen anzustinken, laesst sich aber nicht kleinkriegen. Staendig verhandeln und streiten beide – kommen sich gegenseitig ins Gehege (auch die Studentin ist manipulativ) – und scheinen sich doch zu vermissen, als es irgendwann vorbei ist…)

Loach is Fish Too (Niqiu ye shi yu; VR China 2005; R: Yang Yazhou; K: Wang Dong (!! BW); D: Ni Ping (= Niqiu), Ni Dahong (= Niqiu / Onkel Loach), Pan Hong (= Xie Linlin), Peng Yuanyuan (= Big Mani), Peng Yanyan (= Little Mani), Wang Lina (= Flower Wang), Li Tang (= Linlin’s Father): Menschenmassen, Hektik, Laerm, Gerenne… Ein zum Bersten voller Zug erreicht Peking. Niqiu, kuerzlich geschieden, hat ihre beiden kleinen Toechter dabei und sucht Arbeit in der grossen Stadt. Zufaellig ist einer ihrer Onkel dabei, und auch er heisst Niqiu. Er ist Vorarbeiter fuer hunderte von illegalen Arbeitern, die in der Verbotenen Stadt einen Tempel restaurieren sollen. Da der Onkel scharf auf Niqui ist – und eigentlich auch ein gutes Herz hat, bringt er sie dort mit unter. Die Arbeit ist hart, staubig und gefaehrlich, Niqiu schuftet wie ein Tier. Da besorgt der Onkel ihr eine einfacheren Job: Niqiu soll den bettlaegerigen Vater einer reichen Frau pflegen. Und auch dabei bleibt es nicht. Immer wieder wechseln Niqiu und Onkel Niqiu Unterkunft und Einsatzort, immer auf der Suche nach dem grossen Geld – selbst die zwei kleinen Maedchen beten es wie ein Mantra daher…)

Schraeges aus Japan

Kultstars sind ja viele, aber Asano Tadanobu, Hauptdarsteller des beruechtigten „Ichi, the Killer“, ist tatsaechlich einer. In „Rampo Noir“,dem Episodenfilm nach vier Geschichten von Edogawa Rampo, dem japanischen Edgar Allan Poe, ist er in jeder der Hauptdarsteller. Leider ist das Gesamtwerk nur fuer entschieden Japanophile ertraeglich: theatralisch, stilisiert, steif, langweilig. „The Glamourous Life of Sachiko Hanai“, ein handelsuebliches Pinku eiga, gibt sich als Sexfilm-Politsatire: Billiger Kaese, der immerhin lustig ist, solange er dauert. „Ski Jumping Pairs“, ein Mockumentary, dokumentiert eine Sportart, die es gar nicht gibt – das Paarspringen von der Schanze. „Nana“ ist die Geschichte zweier Maedchen, die beide Nana heissen und beide Probleme mit ihren Boyfriends haben: Romantisches Teeniedrama nach den Manga-Hits von Yazawa Ai. Bunt, poppig und sauber, selbst die Punks sehen aus wie geleckt.

Rampo Noir (Rampo Jigoku; Japan 2005: 1.) Mars Canal: Ein nackter Mann sieht im Kratersee das Gesicht seiner Liebsten…; 2.) Mirror Hell: Akechi Kogoro – Rampos Variante von Sherlock Holmes – untersucht den Tod zweier Frauen, deren Gesicht und Gehirn wie weggeaetzt erscheinen…; 3.) Caterpillar: Wie eine Raupe daliegend, ist ein Kriegsheimkehrer ohne Gliedmassen seiner Frau hilflos ausgeliefert – natuerlich auch beim Sex… Das boese Geheimnis ist ein Verbrechen aus Liebe: Sie hat ihn selbst verstuemmelt, damit er nie wieder in den Krieg ziehen kann…; 4.) Crawling Bugs: Ein Chauffeur liebt seine Dienstherrin, eine beruehmte Buehnenschauspielerin, ertraegt aber keine Beruehrungen, da ihm dies wie das Krabbeln von Kaefern vorkommt. Erst als die Dame tot ist, fasst er sie auch an. Er drapiert sie wie es ihm gefaellt in einem bunten Studioparadies – doch die Kaefer kommen wieder…)

The Glamourous Life of Sachiko Hanai (Japan 2003/04; R: Meike Mitsuru: Hure Sachiko geraet in einem Café in den Streit zweier Gangster und bekommt dabei eine Kugel in den Kopf – was sie erst gar nicht bemerkt – und wird ab da von einem korrupten Bullen gejagt. Als sie sich die Kugel tief ins Gehirn schiebt, wird sie zum Genie, das mit Professoren philosophiert. In ihrem Handtaeschchen traegt sie den roten, geklonten Finger von George W. Bush mit sich herum, der ihr ferngesteuert in den Schritt glitscht – ehe sie mit dem Ding die Waffensysteme der USA startet und so den grossen Abschied herbeifuehrt… Dazwischen findet sie immer wieder Zeit, um Schuelern „Nachhilfe“ zu geben, Cops und Professorensoehne zu vernaschen…)

Ski Jumping Pairs – Road to Torino Olympigs 2006 (kein Rechtschreibfehler: Olympigs) (Japan 2006; R: Kobayashi Masaki, Mashima Richiro; D: u.a. Stefan Wildhoelzl: Nachdem Dr. Harada 14 Jahre dafuer gekaempft hat, wird im Jahr 2000 das Ski-Paarspringen endlich zur olympischen Disziplin erklaert. Harada berichtet von seinem langen Weg dorthin. Von den Urspruengen beim Lutscheis, dass sich seine Soehne ein Paar Skier teilen mussten und von der Genese seiner Rendezvous-Theorie. Wir erleben die Evolution des Paarsprung-Sports, lernen ihre Idole kennen und werden Zeugen mancher Katastrophen…)

Nana (Japan 2005; R: Otani Kentaro: Nana 1 ist ein suesses Maedchen, das immer grinst und sich ueber alles freut, Nana 2 ist Punkerin, ein Trotzkopf mit schwerer Kindheit. Beide lernen sich zufaellig im Zug nach Tokio kennen, beide kommen sich zufaellig bei einer Wohnungsbesichtigung in die Quere – und teilen sich schliesslich die Bude. Beide freunden sich an, haben viel Spass – doch jede fuer sich auch ihre Sorgen. Nana 1 hat Pech mit diversen kleinen Jobs; viel schlimmer aber ist, dass sich ihr Freund Shoji mehr und mehr zu seiner Arbeitskollegin Sachiko hingezogen fuehlt. Nana 2, die Musik mit der Garagenband „Black Stones“ macht, ist sich noch immer unschluessig, wie sie zu Ren steht: Der schoene, geheimnisvolle Rocker, mit dem sie bei „Trapnest“ spielte, ist offiziell noch ihr Freund, doch eigentlich will sie Schluss machen…)

Thriller + Action + Fantasy

Abgesehen von den vielen Horrorfilmen, kam dieses Jahr in Udine das uebliche Genrekino fuer „harte Maenner“ etwas zu kurz. Vielleicht liegt das daran, dass mehrere Filme kurz vor Festivalbeginn zurueckgezogen wurden bzw. von italienischen Lizenzkaeufern nicht freigegeben wurden… Wie dem auch sei: „Murder, Take One“ aus Suedkorea, das neuste Werk von Jang Jin, der letztes Jahr die sensationelle Liebeskomoedie „Someone Special“ vorstellte, scheitert diesmal vielleicht tatsaechlich an Mentalitaetsunterschieden und der Sprachbarriere. Sein Krimikammerspiel mit Fantasy-Touch und halbgaren Ansaetzen zur Mediensatire ist angeblich eine Komoedie… Der High-Class-Actionthriller „Dragon Squad“ aus Hongkong mit Simon Yam und Sammo Hung ist ein Post-Production-Meisterwerk mit komplexer Story und maximalen Shoot-Outs, „Shinobi“ aus Japan haette, wenn es auf der Welt gerecht zugehen wuerde, ueberall anstelle von „X-Men 3“ laufen muessen: Das wuchtig-duestere Fantasy-Action-Epos ist innovativ gemacht und enthaelt spektakulaere Momenten im Dutzend.

Murder, Take One // The Big Scene (Suedkorea 2005; R: Jang Jin; D: Cha Seung-won, Shin Ha-kyun, Shin Gu: Im Hotelzimmer 1207 liegt eine prominente Frau in ihrem Blut – der Moerder hat neunmal zugestochen. Polizei, Journalisten und Fernsehleute nehmen den Fall zum Anlass einer grossen TV-Krimishow, bei der sogar Exorzisten zum Einsatz kommen… Der – spektakulaere – Anfang ist das beste: Vom Ruecken des Opfers aus steigt die Kamera in schwindelnde Hoehen und gibt den Blick frei auf das aufgerissene, komplette Hotelgeschoss (à la Brian de Palmas „Spiel auf Zeit“).)

Dragon Squad (Maan Lung; Hongkong 2005; R: Daniel Lee; Action: Chin Kar-lok; D: Simon Yam (= Einsatzleiter), Sammo Hung, Shawn Yue, Michael Biehn, Maggie Q, Vanness Wu, Gordon Liu, Bey Logan: Gangster Panther Duen soll ins Gericht ueberfuehrt werden, fuenf junge Top-Polizisten/innen – das Dragon Squad (I suppose) – begleiten den Konvoi. Sie geraten in den Hinterhalt einer schwerbewaffneten Privatarmee, es gibt viele Tote, Panther Duen verschwindet. Wenig spaeter die Ueberraschung: Panther wurde nicht etwa befreit, sondern entfuehrt. Gangster Ko will die Geschaefte an sich reissen – und hat Panther Duen als Faustpfand gegen dessen Bruder Tiger Duen (bewacht von den „Power 4“) einkassiert. Mitten in einen Gangsterkrieg hineingeraten, muessen die Cops an mehreren Fronten zugleich ermitteln und kaempfen…)

Shinobi – Heart Under Blade (Japan 2005; R: Shimoyama Ten; D: Odagiri Joe (= Gennosuke), Nakama Yukie (= Oboro), Lily, Terada Minoru, Matsushige Yutaka: Japan 1614 (= Tokugawa-AEra): Shinobi sind die Krieger des Schattenreichs. Ausgeruestet mit den verschiedensten Faehigkeiten und Waffen, kann niemand sie bezwingen. Seit langer Zeit leben die einst verfeindeten Shinobi-Clans der Iga und Koga in zwei Bergdoerfern. Jetzt verlangt der Herrscher des Landes nach ihnen. Je fuenf Kaempfer beider Staemme sollen zu ihm in den Palast kommen und kaempfen. Doch schon auf dem langen Weg dorthin, in den riesigen dunklen Waeldern, bekriegen sich die Shinobis bis aufs Blut. Mittendrin ein tragisches Liebespaar: der schoene Gennosuke und die starke Oboro…)

Digitales von den Philippinen

Wovon Hollywood traeumt, ist auf den Philippinen schon ueblich, wenn auch aus finanzieller Not: Es wird digital gedreht. Die Ergebnisse sind zumindest ordentlich. Der Fantasy-Abenteuer-Trash „Exodus“, DER Weihnachtshit 2005, ist ein auf charmante Weise „selbstgemachter“ Film zwischen US-Mummenschanz à la „Der Herr der Ringe“ und Kinderkarneval, auf Dauer dann aber doch zu sehr zusammengeklaut. „Beneath the Cogon“,ein Kriminalmelodram mit Tarantino-Touch und Horror-Einsprengseln, und die Horrorgroteske „Aquarium “ stammen beide vom Jungregisseur Rico Maria Ilarde. Netter Typ, nette Filme, aber international noch chancenlos.

Exodus: Tales From the Enchanted Forest (Philippinen 2005; R: Erik Matti („Gagamboy“): Die letzten Menschen der letzten Stadt kaempfen gegen dunkle Horden des Bagulbol. Der wurstig-aufgepumpte Exodus soll Hilfe holen. Er steigt durch eine „Stargate“ und faengt die vier Elementals ein – Fabelwesen mit besonderen Kraeften (der blaue, aeh, Pegasus ist wohl ‘ne Tunte). Fehlt nur das fuenfte Elemental – der Geist eines Volkes, das Bagulbol einst vernichtete…)

Beneath the Cogon (Philippinen 2005; R: Rico Maria Ilarde: Sam liegt irgendwo auf einer Strasse, guckt in die Luft und fragt sich, wie er in diesen ganzen Schlamassel ueberhaupt reingeraten ist… Der Ex-Marine, der nicht als Gangster gelten moechte, hatte bei einem Coup nur als Driver mitgemacht und wird jetzt von den Ex-Kollegen gejagt. Als er endlich seine schoene Freundin Katia erreicht, die Tochter des ominoesen Forschers Dr. Karl, treffen auch die Killer ein… Allerseltsamste Mischung divergierender Genres: In den zahlreichen, viel zu langen Gespraechen mit Katia scheint der Film wie ein Telenovela, eingerahmt von einem mueden Gangsterthriller, der am Ende mit einer ueberfluessigen Monstergeschichte angereichert ist. Weiterhin nerven billige Synthiemusik und pseudophilosophisches Blabla. Sam, der suesse Kindmann, dem man nie im Leben den Ex-Marine abnimmt, wundert sich erst ueber die Raeuberpistole, die er gar nicht wollte, dann bedauert er, dass auch Katia mit hineingeraet, und bereut ganz bitterlich, dass er ihr all die schoenen Traeume nehmen musste…)

Aquarium (Philippinen 2005; R: Rico Maria Ilarde: Eine Familie zieht in eine Eigentumswohnung, in der die Vorbesitzer noch ihr Aquarium haben stehen lassen. Sohn Paul will es unbedingt wieder in Betrieb nehmen. Eine bleiche Frau mit Zombie-Augen warnt die (vollbusige) Mutter zwar dringend davor, das Ding ueberhaupt anzuruehren – aber da ist es auch schon voller Wasser. Und mittendrin eine antike Maske, aus der blubbert, spricht und hoehnisch lacht, als alle Fische sterben… Jim Carreys olle gruene „Maske“, dazu CGI-Schlingpflanzen-Effekte, clutching hands in der Badewanne, viel Sprudelwasser – und auffallend huebsche Maenner. Ziemlich trivial, fuer 37 Minuten aber okay.)

Horror 1

Donnerstag ist in Udine Horrortag, es laeuft aber auch an anderen Wochentagen der eine oder andere Film des Genres. „The Imp“ ist ein billiger, als Klassiker geltender 80er-Jahre-Horror, ein wilder, spekulativer Mix verschiedenster Motive aus „Rosemaries Baby“, „Mr. Vampire“, „The Beyond“ etc. Die Erwartungen erfuellt hat das historische Horrordrama „Imprint“, Miike Takashis Beitrag zur US-Fernsehserie „Masters of Horror“.Handwerklich faszinierend gemacht, offeriert der Film eine triste, von bitterer Armut gepraegte Welt ohne Hoffnung oder Erloesung – mit einem Happy-end rechnet natuerlich niemand, aber es gibt auch keine ausgleichende Gerechtigkeit. Kein Wunder, dass die amerikanischen Auftraggeber diese Folge der TV-Serie nicht ausstrahlen wollten. Als Nachtrag zur obigen „Gewalt an der Schule“-Rubrik mag „Voice“ gelten, der vierte Teil der Erfolgsreihe „Whispering Corridors“. In diesem geisterhaften Eifersucht- und Rachedrama entpuppt sich eine koreanische Maedchenschule erneut als Hort von Mobbing, Mord und Selbstmord. Sehr edel, recht komplex. Zum Abgewoehnen dagegen der okkulte Horrorthriller „The Art of Horror 2“.Der Film ist professionell gemacht, ueberaus ideenreich, leider aber auch ueberzogen grausam. Der explizite Sadismus uebertrifft den von beispielsweise „Hostel“ um Laengen.

The Imp (Hung Bong; Hongkong 1981; R: Dennis Yu; D: Charlie Chin (= Ah Keung), Yu Yee-ha (= Lan), Kent Cheng (= Fatty), Chan Shen (= Uncle Han), Yueh Hua (= taoist Ghostbuster): Ah Keung sucht Arbeit und findet sie, nach einigen Fehlschlaegen, als Wachmann in einem neuen, riesigen Einkaufszentrum. Seine schwangere Frau Lan huetet das Heim. Umgehend passieren auf der Arbeit unheimliche Dinge – und bald auch zuhause. Erst nimmt Ah Keung einen der Lifts und faehrt so tief, dass er in der Hoelle landet. Dann beginnen seine neue Kollegen raetselhafte, abscheuliche Tode zu sterben. Als Kollege Fatty einmal die inzwischen hochschwangere Lan mit dem Auto abholen soll, spielt Fattys Hund verrueckt, etwas spaeter ist sie ganz wild auf Innereien – die sonst nie gemocht hat. Ein junger taoistischer Moench warnt Ah Keung, ein Geist wolle sich in seinem Baby reinkarnieren. Der Geist habe Ah Keung auch zur Mall gefuehrt, der Taoist wisse nur noch nicht, wieso…)

Masters of Horror: Imprint (USA/Japan 2005; R: Miike Takashi; D: Billy Drago (= Christopher), Kudoh Youki: Ein Amerikaner setzt auf eine Insel ueber, auf der Huren in Kaefigen gehalten werden. Er sucht seine grosse Liebe Komomo, der er versprochen hatte, sie dereinst zu retten. Doch eine entstellte Kollegin eroeffnet ihm, Komomo habe sich vor einem halben Jahr erhaengt. Angeblich hatte sie ihrer Chefin den Jadering gestohlen, wurde dafuer grausam gefoltert und waehlte dann den Freitod – der Ring hingegen wurde nie gefunden. Der Amerikaner ist so bestuerzt wie unglaeubig. Er will die ganze Wahrheit wissen – und haette besser nicht danach verlangt…)

Voice // DVD-Titel: Whispering Corridors 4 – Voice Letter (Yeogo-goidam 4: Moksori; Suedkorea 2005; R: Choi Equan: Nachts in der Schule trainiert Schuelerin Young-eon noch ihre schoene Stimme, eine Frau huscht durch die Gaenge – und ein in der Luft schwebendes Notenblatt ritzt ihr die Kehle auf. Doch halt, es war nur ein Traum! Am naechsten Morgen geht Young-eon zur Schule – und alle Mitschuelerinnen treten durch sie hindurch. Young-eon ist tatsaechlich tot! Niemand sieht sie oder hoert ihr verzweifeltes Schreien. Nur ihre beste Freundin Sun-min spuert, dass Young-eon noch da ist und kann heimlich mit ihr sprechen – schliesslich haben die Geister solange eine Stimme, wie sich jemand an sie erinnert. Doch Young-eon ist nicht die einzige, der es so ergeht. Unfaehig, die Schule zu verlassen, wird sie selbst von jenseitigen Stimmen geaengstigt. Waehrend die lebenden Schuelerinnen haessliche Dinge ueber Young-eon verbreiten, muss sie jene Kraft ueberwinden, die sie hier zurueckhaelt – und sich den Geistern stellen, die an diesem Ort zu Tode kamen…)

Art of the Devil 2 (Long-khong; Thailand 2005; R: Ronin Team (= 7 verschiedene Regisseure): Fuenf Freunde und Freundinnen, die jetzt in der Stadt studieren, kehren im Sommer aufs Land zurueck, wo sie zur Schule gingen. Tief im Dschungel besuchen sie ihren Freund Ta, dessen Vater – ihr frueherer Lehrer – gerade verstorben ist und wohnen bei seiner Mutter, der schoenen Ex-Lehrerin Panor. Tatsaechlich sind die Fuenf daran schuld, dass der Lehrer grausam zu Tode kam: Nachdem er sie alle vor zwei Jahren gequaelt hatte, erbaten sie den Fluch eines Magiers. Seine Warnung, die boese Kraft werde nicht vergehen, verhallte ungehoert. Jetzt ist es an Panor, die Rache fortzufuehren – das leckere Chicken Curry, das sie serviert, ist nicht aus Huehnerfleisch… Die Freunde wollen fliehen, doch das Boese, das sie selbst in die Welt gesetzt haben, ist unabwendbar…)

Horror 2: Horrorhouse

Seit dem modernen Japan-Klassikern „Dark Water“ stehen Horrorhaeuser – und damit die tragische Verknuepfung derzeitiger und einstiger Mieter – wieder hoch im Kurs. Aus Hongkong kamen zwei Beitraege zu diesem Subgenre: Der sauber gemachte B-Horror „Home Sweet Home“ siedelt das Grauen in einem modernen Hochhaus an, dummerweise kippt das Drama zweier Muetter aber in unfreiwillige Komik um. Der aehnlich moderat budgetierte „The House“ spielt in einem alten Gemaeuer und ist dramaturgisch ausgefeilter und spooky. Absolut meisterlich dann das taiwanesische Horrordrama „The Heirloom“.Von allen Spukhaus-Filmen nach „Dark Water“ ist dies der wohl beste: intelligent gemacht, ungeheuer suggestiv, exquisit fotografiert, mit teils verzerrter Optik und gesegnet mit einem grandiosen, boesen Ende.

Home Sweet Home (Hongkong 2005; R: Soi Cheang; D: Karena Lam, Shu Qi, Alex Fong, Lam Suet: Eine junge Familie sucht in Hongkong eine neue Wohnung und zieht in ein Hochhaus, das auf unheilvollem Grund steht. Bevor es errichtet wurde, musste die Staatsmacht erst wilde Siedler vertreiben – bei den Strassenschlachten verbrannte auch ein junger Vater… Als der kleine Sohn der neuen Mieter urploetzlich verschwindet, nehmen die verzweifelten Eltern und ein Polizist die Suche auf… Eine zerlumpte Frau hat den Kleinen entfuehrt und haelt ihn irgendwo im Beton-Labyrinth gefangen…)

The House (Hung Jaap; Hongkong 2005; R: Ng Man-ching; D: Maggie Shiu, Lai Wai-han, Cheung Siu-fai, Wayne Lai: Eine junge, vor kurzem verwitwete Mutter zieht mit ihrer kleinen Tochter in eine Wohnung in einem kleinen, historischen Appartementhaus (30er- / 40er-Jahre). Die Tochter merkt sofort, dass da etwas im Kamin steckt und moechte sofort wieder ausziehen, doch Mutter hat andere Probleme. Sie sucht einen Job, und als sie ihn findet, geht der Horror richtig los – denn sie arbeitet in der Nachtschicht! Allein gelassen und voellig veraengstigt, begegnet das Toechterlein nun Nacht fuer Nacht den Geistern der Familie, die hier vorher wohnte: eine boese Frau im Gewand einer Peking-Oper-Saengerin und ihr pitschnasser kleiner Sohn – den sie in der Badewanne ertraenkte…)

The Heirloom (Zhai Bian; Taiwan 2005; R: Leste Chen; K: Kwan Pun-leung; D: Terri Kwan, Jason Chang, Chang Yu-chen, Tender Huang: Architekt James ist Erbe eines maechtigen, 70 oder 80 Jahre alten Hauses aus der japanischen Besatzungszeit, dass schon so morsch ist, dass Wasser aus der Aufhaengung der Kronleuchter tropft. Er zieht mit seiner Freundin ein, der Balletttaenzerin Yo. Sie waere lieber ins Ausland gegangen – und haette es besser auch getan, denn ein duesteres Geheimnis umgibt das Haus: Der Dachboden, Sitz des „Familienschreins“ mit Dutzenden Fotos laengst Verstorbener, wurde vor 20 Jahren zum Schauplatz massenhaften Todes – die Geister der Toten schleichen jetzt nachts als Schatten umher… Nach einer kleinen Party, die James und Yo fuer ihre jungen, hippen Freunde geben, sind zwei der verabschiedeten Gaeste am naechsten Morgen ploetzlich wieder da – sie hinter einer Tuer, er unter dem Bett. Beide haben nicht die leiseste Ahnung, was in der Zwischenzeit passierte. Nachdem ein weiterer Gast zu Tode kommt, stellt Detective Wu Ermittlungen an. Aber gegen die Metaphysik des Hauses ist auch er machtlos… So geht Yo selbst der Sache auf den Grund. In der Nervenheilanstalt besucht sie die Einzige, die das damalige Massaker ueberlebte…)

Knallbunt durchgeknallt: Thailand

Das komoediantische thailaendische Kino liebt die grelle UEbertreibung, Respektlosigkeit, Rabiatheit und groben Quatsch. Quietschbunte Farben à la „Tears of the Tiger“ sind nur ein Aspekt davon. „Hello Yasothorn“,eine Komoedie ueber Paerchenfindung und Liebesglueck, liess einen noch eher ratlos zurueck. Zum Schreien dann die anderen beiden Filme: Die parodistische Agenten-Klamotte „M.A.I.D.“, neuester Streich des „The Iron Ladies“-Regisseurs, laesst vier Hausmaedchen undercover ermitteln – koestlich! „Bangkok Loco“ ist sogar noch irrer: eine irrwitzige, verspielte Fantasyklamotte on the road, gehobenes Knalltuetenkino vom Feinsten, technisch top-notch.

Hello Yasothorn (Thailand 2005; R: Petchthai Wongkamlao: Die haessliche Yuei ist scharf auf den depperten Yam, doch der buegelt sie nur ab… Der schoene Thong liebt die schoene Sroi – und sie liebt ihn… Klamotte zwischen volkstuemlichem Sprechtheater und schraeger Fernsehsoap, gefilmt zumeist im Studio, im simpelsten Kamera-druff-Stil.)

M.A.I.D. (Thailand 2004; R: Yongyoot Thongkongtoon: Die Hausmaedchen Waew, deren Schwester Jim, dazu Cut und Aye werden vom Minister fuer Sonderermittlungen dazu auserkoren, bei wechselnden Dienstherren, die er der Korruption verdaechtigt, tuechtig sauberzumachen. Die vier haben zwar ueberhaupt keine Ahnung von Spionage, aber sie wissen, wie man Chaos verbreitet, andere Putzteufel kleinkriegt (Zickenterror!) und sich gegen zudringliche Maenner wehrt (immer in die Eier!). Als sie alle mal im Muellcontainer landen, sehen sie, wie schmutzig das Gewerbe tatsaechlich ist, und kuendigen…)

Bangkok Loco (Thailand 2004; R: Pornchai Hongrattanaporn: Schlagzeuger Bay trommelt wir wie ein Irrer, hat statt der Sticks ploetzlich ein Messer in der Hand – und im Zimmer seine zerhackte Vermieterin liegen. Was ist da nur passiert? Nun, Bay hat seine rhythmische Kunst einst bei Moenchen gelernt. Die wussten auch, dass alle 10 Jahre die „Drums of the Gods“ gegen die „Drums of Hell“ antreten muessen. In wenigen Tagen ist es wieder soweit – und anscheinend hat der Teufelstrommler schon mal versucht, Goetterbote Bay ein Ei zu legen. Gejagt von Inspector Black Ears, flieht Bay mit seiner Kollegin Don, in die er heimlich verliebt ist, um sich ins Duell zu stuerzen – und damit die tote Frau zu retten, sich selbst und sowieso die ganze Welt…)

Musicals

Thema der Retrospektive in Udine war das panasiatische Musical. Dazu zaehlten auch volkschinesische Revolutionsopern, ich selbst waehlte aber lieber die jazzigeren, Hollywood-orientierten Hongkong-Musicals. Zwei mit dem damaligen Star Grace Chang. „Mambo Girl“ ist ein Adoptions- und Selbstfindungsdrama mit gefaelliger bis heisser Musik: operettenhafte Schlager, Mambo, Cha-cha-cha, Rock’n’Roll. Sehr ungewoehnlich ist „The Wild, Wild Rose“, ein noires Kriminaldrama, fuer seine Zeit sehr gewagt. Grace Chang und ihre Rolle sind tatsaechlich sensationell. Schoen, selbstbewusst, herausfordernd, offensiv. Sie singt Jazz / Blues, einige Songs aus „Carmen “ und den supergeilen „Jajambo“. An dritter Stelle hier: „Hongkong Nocturne“, ein charmantes Werk der Shaw Brothers, gefilmt in Farbe und echtem Scope.

Mambo Girl (Hongkong 1957; R: Yi Wen (Evan Yang); D: Grace Chang (= Li Kailing), Peter Chan Ho (= Wang Danian), Kitty Ting Hao: Kailing wird von allen als Musikgenie gefeiert, sie singt und tanzt die neuesten Nummern. Dabei haben alle anderen in der Familie nicht das mindeste Talent – komisch, nicht? – Kailing, das Mambo Girl, wird naechsten Samstag 20 Jahre und will gross bei ihrem Freund Danian feiern – wenn der nur mal das tanzen lernt! Dummerweise erfaehrt ihre kleine Schwester das Familiengeheimnis – und erzaehlt es auch noch weiter, bis das Geruecht die Party erreicht: Kailing ist adoptiert, ein Bastard! Kailing ist empoert, erschuettert, verlaesst die eigene Feier und will nicht eher ruhen, bis sie einmal ihre leibliche Mutter getroffen hat. Doch die Suche ist schwierig, man erzaehlt, sie sei frueher in Nachtclubs aufgetreten…)

The Wild, wild Rose (Ye Mei Gui Zhi Lian; Hongkong 1960; R: WANG Tianlin (WONG Tin-lam); D: Grace Chang (= Teng Sze-chia // LW: Seijia), Chang Yang (= Liang Hanhua), Dolly Soo Fung (= Wu Su-hsin // LW: Miss Mei Mei): Der junge, brave Liang Hanhua faengt im Nachtlokal „New Ritz“ als neuer Pianist an – und will schon nach dem ersten Abend eigentlich nie mehr wiederkommen: Erst betruebt ihn, wie sein Vorgaenger, der herzensgute Old Wan, ohne Mitleid gefeuert wurde, dann schockiert ihn, wie der Streit der beiden Saengerinnen in schamloser Weise eskaliert (vom Zickenstreit zum Catfight). Aber Hanhua kommt wieder. Und Saengerin Seijia, als „Wild Rose“ die Hauptattraktion des Etablissements, wirft ein Auge auf ihn. Sie wettet mit jemandem, dass sie den huebschen Kerl in 10 Tagen rumkriegt. Dafuer zieht sie alle Register…)

Hong Kong Nocturne (Xiang jiang hua yue ye; Hongkong 1966/2002; R: INOUE Umetsugu; P: Shaw Brothers; D: Cheng Pei-Pei, Peter Chan: Papa ist Zauberkuenstler mit eher albernen Kunststuecken, die wahre Attraktion sind seine drei tanzenden Toechter. Weil er ihre Gage aber einer falschen Braut zusteckt, ziehen sie empoert von Zuhause aus. Die erste kehrt gleich wieder um und lernt spaeter einen feschen Songschreiber kennen, die zweite will Ballett studieren und wird vom verkrueppelten Lehrer mit dem Krueckstock geschlagen, die dritte laesst sich fast von einem Pornofilmer taeuschen und stranded in Japan. Jede der Schwestern wird vom Schicksal hart geprueft, ehe sie am Ende wieder zusammenfinden – familiaer wie kuenstlerisch…)

Inoue Umetsugu

Regisseur Inoue, heute ein alter Herr, der in Udine auch zu Gast war, ist das, was man gemeinhin – und meist abschaetzig – einen Routinier nennt. Er arbeitete sowohl in Japan als auch in Hongkong. Tatsaechlich waren seine Filme Genrefilme ohne besonderen kuenstlerischen Anspruch. Aber sie waren grossartig! Selbst da, wo sie eigentlich kaesig waren. Das Musicaldrama „Hongkong Nocturne“ (siehe oben), „The Winner“, ein Vierecksmelodram zwischen Box-Arena, Ballett-Buehne und Nightclub, und vor allem „The Eagle and the Hawk“,ein Seefahrtkrimi mit Witz, Schlaegereien, Sentiment und Erotik, zeugten von einem Niveau, das es mit dem damaligen Hollywood aufnehmen konnte. Inoue war immer dicht dran an seinen Figuren, das macht seine Filme so lebendig. Vielleicht kann man ihn mit Raoul Walsh vergleichen, der ebenfalls in allen Genres zuhaus war und wusste, wie man eine Geschichte ueber seine Stars erzaehlt. „The Eagle and the Hawk“, in Scope auf einem echten Schiff gedreht, ist eins der schoensten Abenteuer, das ich ich je gesehen habe.

The Winner (Shorisha; Japan 1957; R: INOUE Umetsugu: Sensei war Boxer, der nie an die Spitze gelangte. Jetzt, drei Jahre spaeter, leidet er darunter, dass er seinen sportlichen Traum nicht vehementer verfolgte. Er managt einen Boxer, der nichts taugt, ist mit Natsuko verlobt, die er seit drei Jahren hinhaelt, und betreibt ein Nachtlokal („Champion“), das ihm der „Schwiegervater“ aufgeschwatzt hat. Doch dann begeistert er sich fuer den jungen Boxer Fuma Shuntaro, den er unbedingt foerdern will. Gleichzeitig beginnt er, einer seiner Taenzerinnen, der schoenen Mari, die Ausbildung an der Tokyo Ballet Company zu finanzieren. Beide Talente lernen sich zufaellig kennen – und finden Gefallen aneinander. Doch Sensei, der beide als seine eigenen „Geschoepfe“ sieht, verbietet ihnen ihre Gefuehle. Erst wenn sich Fuma und Mari bewiesen haben – er im Ring, sie auf der Buehne – sollen sie sagen duerfen, wen sie lieben. Sensei wuenscht sich sehnlichst, dass Mari dann seinen Namen nennt – ganz gleich, was das fuer Natsuko bedeuten wuerde…)

The Eagle and the Hawk (Washi to Taka; Japan 1957; R: INOUE Umetsugu: Ein Seemann wird an Land abgestochen (huebsch noires Intro) – vom Taeter sind nur die Jeans zu sehen und man hoert, wie er eine bestimmte Melodie pfeift. Als sein Schiff wieder aufs Meer hinausfaehrt, kommt eine illustre Gesellschaft ganz verschiedener Charaktere zusammen: der grosse, sehr maennliche Sasaki Keizo, der nette, jungenhafte Sen-chen, Steuermann Goro – Sohn des ermordeten Schiffsingenieurs, der alte, undurchsichtige Kapitaen, dessen schoene Tochter Aki, weiterhin eine sexy blinde Passagierin, am Ende noch der niedliche Ken-chan… Sie sind hier, weil sie vor etwas geflohen sind, genau hier ihr (Liebes-) Glueck suchen – oder eine Untat planen: Unter Deck hoert man einmal, wie oben jemand das bekannte Lied pfeift…)

Publikumspreise

Eine besondere Auszeichnung wird in Udine nicht vergeben, dafuer gibt es drei Publikumspreise. Platz drei machte die japanische Teeniekomoedie „Linda Linda Linda“. Ein kleiner, sympathischer Independent-Film, unspektakulaer, bodenstaendig, gegen alle Highschool-Komoedien-Klischees. Den Hit „Linda Linda“, den die Punk-Band Blue Hearts in den 1980ern einspielte, wird man nie wieder los, einer der groessten Ohrwuermer aller Zeiten! Platz zwei errang „Always“ aus Japan, ein witziges, wunderbar anruehrendes Melodram ueber ein ueberschaubares Viertel in Tokio und die kleinen wie grossen Schicksale seiner Bewohner. Der Film, der auf einem Manga beruht, gewann12 von 13 Japan-Oscars und wurde in seiner Heimat der groesste Kinoerfolg 2005. Lieblingsfilm des Publikums wurde „Welcome to Dongmakgol“, ein pazifistisches Kriegsdrama aus Suedkorea. Ueberragend gemacht, witzig, dramatisch, voelkerverbindend.

Linda Linda Linda (Japan 2005; R: Yamashita Nobuhiro: An der Shibazaki Highschool wird das „Shiba High Holly Festival 2004“ vorbereitet, ein paar Maedels wollen dazu eine Band gruenden. Es dauert, bis sie sich gefunden haben. Rinko soll die Saengerin werden, doch sie ziert sich. Stattdessen uebernimmt Son – die als koreanische Austauschstudentin erst gar nicht versteht, worauf sie sich da eingelassen hat. Doch nun steckt sie drin. Die Vier ueben Tag und Nacht, gehen gemeinsam einkaufen und essen zusammen. Nebenbei wehrt Son die ruehrend unbeholfene Liebeserklaerung eines kleinen Japaners ab. Und als der grosse Auftritt in der Schulaula ansteht, verpasst die voellig uebermuedete Band fast ihren Einsatz…)

Always – Sunset on Third Street (Always – Sanchome no Yuhi; Japan 2005; R: Yamazaki Takashi; D: Tsutsumi Shinichi (= Suzuki Norifumi), Yakushimaru Hiroko (= Tomoe), Horikita Maki (= Mutsuko, „Roku“), Yoshioka Hidetaka (= Chagawa Ryunosuke), Koyuki (= Hiromi): Tokio im Jahre 1958, der rote Funkturm wird gerade errichtet, die Stadt ist noch ueberschaubar – und hier fast doerflich: Eine Schuelerin kommt von weither, um beim Suzuki Autokonzern als Sekretaerin anzufangen – und stellt enttaeuscht fest, dass es eine kleine Garage ist, in der sie Autos reparieren soll. Der Sohn des Hauses ist ganz wild auf einen ersten Fernseher, als Papa, der KFZ-Mechaniker, tatsaechlich einen gekauft, ist der nach wenigen Minuten schon hinueber. Am Rand gibt es auch noch einen Doktor, „Devil“ genannt, der gegen alles immer Spritzen geben will. Im Mittelpunkt steht ein junger, asketischer, recht armer Autor, der von literarischem Ruhm traeumt, sein Brot aber mit anspruchslosen Geschichten fuer das Jungsmagazin „Boys’ Adventure“ verdienen muss. Die schoene Wirtin Hiromi dreht ihm einen kleinen Jungen an, der selbst nicht ihr eigener ist. Dafuer will sie ab und an „nett“ zu ihm sein – und tatsaechlich verliebt sich der Autor in Hiromi. Mit dem Knaben Junnosuke, kurz Jun, kann er erst ueberhaupt nichts anfangen – dann waechst er ihm ans Herz. Als Juns wahrer Vater (ein schwerreicher Mann) sein Kind zurueckverlangt, erleben beide die bittersten Momente ihres Lebens…)

Welcome to Dongmakgol (Suedkorea 2005; R: Park Kwang-hyun; D: u.a. Steve Taschler (= Smith): Mitten im Korea-Krieg 1950 retten sich sechs gegnerische, vom Krieg gezeichnete Soldaten in ein abgelegenes Bergdorf: 3 nordkoreanische, 2 suedkoreanische sowie ein abgestuerzter US-Navy-Pilot. Man hat Angst, beaeugt sich misstrauisch, bleibt abwartend – doch fuer Kampfhandlungen besteht hier kein Anlass: Die Bauern wissen nicht, was Krieg ist, halten Gewehre fuer komische, lange Staebe und Handgranaten fuer Kartoffeln. Als das verrueckte Maedchen von einer den „schoenen Ring “ abzieht, vernichtet die Explosion die ganze letzte Ernte. Alle Soldaten muessen nun zusammen mit den Doerflern eine neue Mais- und Kartoffel-Ernte einfahren, damit sie im harten Winter nicht verhungern. Dabei sind Nord- und Suedkoreaner selbst verbluefft, wie gut sie miteinander auskommen. Als sie schliesslich auch noch die Uniformen ablegen, kann niemand mehr sie von den Einheimischen unterscheiden… Doch die US-Army will unbedingt ihren Captain Smith retten. Erst kommen die Fallschirmspringer, spaeter die Bomber…)

Peter Clasen (Hamburg)

Links:

Text: Peter Clasen, 29.04.2006

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