VON STUDENTEN FÜR STUDENTEN


[ GAST ESSAY ] Diesem Motto getreu geben sich Generationen von Studierenden seit über 50 Jahren die Bildklappe in die Hand, um ihren Kommilitonen großes Kino zu kleinen Preisen zu bieten. Unzählige Filmgruppen an den deutschen Hochschulen haben es sich zur Aufgabe gemacht, dort Filme vorzuführen, wo sonst Jura, Mathematik oder Philosophie gelehrt werden. Vielen geht es dabei nicht ausschließlich darum, Hörsaalkinos zu betreiben, sondern auch, die Filmkultur in das Bewusstsein der Studierenden zu tragen. Verständnis für den Film als unterhaltendes, künstlerisches und informatives Medium soll ebenso geweckt wie filmhistorische Kenntnisse vermittelt werden.

 

ÜBERLEBENDE DER FILMCLUB-BEWEGUNG

Begonnen hatte alles im zerstörten Nachkriegsdeutschland oder, besser gesagt, zur Blüte der Filmclubbewegung. Als die Filmtheater vielerorts noch in Trümmern lagen und nach zwölf Jahren (film)kultureller Isolation der Hunger der Bevölkerung nach ausländischen Filmen gewaltig war, fand der Anstoß der Besatzungsmächte zur Selbstorganisation in Filmclubs großen Zuspruch. Ausgehend von der „Democratic Re-education“-Politik der Sieger entstanden bis Mitte der 1950er Jahre in Westdeutschland 180 Erwachsenen-Filmclubs, 144 Jugend- und zwölf studentische Clubs mit insgesamt ca. 150.000 Mitgliedern. Die Arbeit der Clubs bestand in erster Linie aus regelmäßigen Vorführungen kulturell wertvoller Filme, sowie der Organisation von Vorträgen und Diskussionen.

Obwohl diese Bewegung anfänglich nicht dezidiert studentisch geprägt war, lag die Gründung von Clubs mit Hochschulen oder deren ASten als Trägern nahe. Bereits 1949 zählte ein Club an der Universität zu Köln 1000 Mitglieder, zwei Jahre später gründeten Studierende die Pupille in Frankfurt, 1954 den Darmstädter SFK und den Karlsruher AFK sowie 1957 den aka-Filmclub in Freiburg. Die Jugend- und Hochschulclubs sprossen derart aus dem Boden, dass ihre Mitgliederzahlen bereits Ende der 1950er Jahre diejenigen der Erwachsenen-Clubs übertrafen. Bald konnten sie von den oft provisorisch installierten 16mm-Schmalfilmprojektoren auf 35mm-Normalfilm umrüsten und wurden häufig nach inhaltlichen Unstimmigkeiten mit den hochpolitisierten ASten in die Unabhängigkeit entlassen. Als die Filmclub-Bewegung Ende der 1960er Jahre immer mehr zurückging, setzte sie dennoch ihre Arbeit fort; weitere Gründungen etwa in Bochum (1966), Dortmund (1971) und Oldenburg (1974) folgten.

 

ARBEITSKREIS HOCHSCHULKINOS IM BKF

Während der Club in Köln heute nicht mehr existiert, schlossen sich alle genannten ebenso wie Osnabrück (1982) und der 1992 in Trier gegründete CineAStA später dem Verband der in den 1970er Jahren aufkommenden kommunalen Kinos an, welche als Erben der Filmclub-Bewegung betrachtet werden können. Den Prinzipien dieser Bewegung nach wie vor verbunden, betrachten sich die studentischen Verbandsmitglieder, welche (bis auf eines) nach wie vor 35mm-Film spielen, als Vermittler zwischen kommunaler und studentischer Filmarbeit. Die Möglichkeit, Erfahrungen und Informationen mit den kommunalen Kinos auszutauschen, ist genauso wichtig wie offenkundige Gemeinsamkeiten in den Visionen und dem Anspruch an die Programmierung – alles gute Gründe, dem BkF (* Bundesverband kommunale Filmarbeit, Anm. d. Red.) beizutreten.

Darüber hinaus erhofft man sich über den Verband eine stärkere Vernetzung der Hochschulkinos. Ein Schritt in diese Richtung ist die diesjährige Neugründung des „Arbeitskreises Hochschulkinos“ im BkF. Erste Projekte sind ein Abspielring, um schwer zu beschaffende Filme in die Hochschulkinos zu bringen und eine Initiative zur Digitalisierung der noch mit 35mm-Projektoren ausgestatteten Säle.

 

DER STAND IM JAHR 2011

Umfassende Aussagen über die Hochschulkino-Landschaft 2011 lassen sich leider kaum treffen, da die Kinos von der FFA bei ihren Statistiken zusammen mit den Schul- und Krankenhauskinos als „Sonderformen“ in einen Topf geworfen werden. Man kann davon ausgehend, dass bundesweit ca. 110 Hochschulkinos existieren, wovon etwa 75 das „Rundum-Sorglos-Paket“ der Unifilm-Agentur nutzen. Dabei werden benötigte Lizenzen von der Agentur bezahlt, wobei 75% der Eintrittsgelder wieder abzuführen sind. Zudem ist das Werbeprogramm von Unifilm verpflichtend, und Filme können lediglich aus ihrem Portfolio gewählt werden. Demgegenüber existieren Hochschulkinos, welche ihre Finanzen selbst verwalten und ihr Programm größtenteils direkt mit den Verleihern aushandeln. Sofern Werbung an den Hochschulen erwünscht ist, werden Partner entweder selbst akquiriert oder etwa zusammen mit der „Agentur Popcorn“ organisiert. Diese Gruppe stellt die studentischen Verbandsmitglieder wie auch die 23 mir bisher bekannten Hochschulkinos mit 35mm-Filmprojektion, die sich der Filmkultur besonders verschrieben haben. Unter letzteren finden sich neun von ASten getragene Institutionen und zwölf eingetragene Vereine. Als sich neun der 23 analog ausgestatteten Hochschulkinos 2012 zu einer Digitalisierungsinitiative zusammenfanden, ergab eine Erhebung, dass diese Unternehmungen im vorangegangenen Jahr pro Vorstellung durchschnittlich stolze 138 Zuschauer begrüßen konnten und 1,9 Vorführungen pro Vorlesungswoche veranstalteten.

 

Kino im Hörsaal – © Hinnerk Feldwisch

 

HÄRTEFALL HOCHSCHULKINO?

Die grundlegende technologische Wende hin zu digitaler Kinoprojektion nimmt die Hochschulkinos genauso in die Pflicht wie die kommunalen Kinos. Den Standards gewerblicher Kinos insbesondere in technischer Hinsicht gerecht zu werden, ist und bleibt für ihren Erfolg entscheidend. Die integrative Funktion der studentischen Kinos spiegelt sich neben niedrigen Preisen auch in ihren Filmprogrammen wider, welche vom Blockbuster, über Arthouse bis hin zu Filmkunst reichen. Um in Zeiten von Home-Entertainment und illegalen Downloads den Studierenden weiterhin ein professionelles Kinoerlebnis bieten zu können, werden die Kinomacher zwangsläufig DCI-Norm-konforme Technik anschaffen müssen.

Da studentische Kinos strukturell bedingt nur innerhalb der Vorlesungszeit und an bestimmten Wochentagen Abendvorstellungen spielen können, vermögen fast alle trotz großen Zuspruchs nicht die Untergrenzen der Digitalisierungsförderung zu erfüllen und zählen somit zu den sogenannten „Drop out-Kinos“. Reduzierte Kosten, etwa durch die kostenlose Nutzung eines (Hör-)Saals oder durch das ehrenamtliche Engagement der Mitglieder, werden dabei nicht berücksichtigt. Um ein Förderprogramm zu erreichen, das den Gegebenheiten an den Hochschulen Rechnung trägt, sind gemeinsame Schreiben an verschiedene Institutionen der öffentlichen Hand aufgesetzt worden, allerdings bislang ohne (positive) Antworten.

 

WAS BEDEUTET STUDENTISCHE FILMARBEIT?

Die Aktivitäten an studentischen Kinos sind sowohl aus der Perspektive der Aktiven als auch aus der der Gäste zu betrachten. Es gehört zu den Grundprinzipien der Hochschulkinos, dass allen Mitgliedern sämtliche Aspekte der Kinoarbeit von der Filmdisposition über das Gestalten der Werbemittel bis hin zum Vorführen offen stehen. Gerade zu Beginn der studentischen Filmarbeit, als Werbemittel von Verleihern nicht zu erhalten waren, entstanden trotz geringer Mittel wahrhaftige Kunstwerke. Um die theoretische Auseinandersetzung mit dem Medium Film zu befördern, sind oft Filmbibliotheken angelegt und einschlägige Zeitschriften abonniert worden. Praktische Erfahrungen können zudem in eigenen Filmprojekten gesammelt werden, für welche die Kinos eine professionelle Ausrüstung und Plattform stellen.

Demokratie und Teilhabe prägen ebenfalls die jedes Semester anstehende Auswahl des Filmprogramms. In diesem Gesamtkonzept, das sich über jeweils ein Semester erstreckt, werden einzelne Vorführungen oft durch Filmreihen ergänzt, die aus dem Zusammenhang heraus eine vertiefte Auseinandersetzung mit Inhalt und Form von Filmen ermöglichen. Auch kleine Filmfeste stehen auf dem Programm. Nach Möglichkeit werden Originalfassungen präsentiert und mit Vorfilmen kombiniert. Seminare oder Einführungen zu Themenabenden sind regelmäßige Gelegenheiten, um Experten zu Vorträgen einzuladen und mit Hochschulinstitutionen sowie studentischen Initiativen zu kooperieren.

 

“JEDER NOR EINEN WÖNZIGEN SCHLOCK”

Ein Unikum an studentischen Kinos sind die jährlich in der Vorweihnachtszeit stattfindenden Vorführungen der Feuerzangenbowle (1944) mit Heinz Rühmann. Seit Jahrzehnten strömen hunderte Studierende mit Taschenlampen und Weckern bewaffnet in die Hörsäle, um bei Heidelbeerwein aus Reagenzgläsern, frisch zubereiteter Feuerzangenbowle und Waffeln ein wahres Happening zu veranstalten. Die SZ berichtet etwa, dass 2010 in Aachen ca. 3500 Zuschauer zu den parallel in mehreren Hörsälen stattfindenden Vorführungen erwartet wurden. Mehr als vieles andere stehen die Vorstellungen dieses Klassikers sinnbildlich für den steten Wandel in der Studierendenschaft und ihrer doch gleichbleibenden Begeisterungsfähigkeit für das kollektive Erleben im Kino.

 

Text: Pascal Meißner, Akademischer Filmkreis Karlsruhe

Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift Kinema Kommunal des Bundesverbands kommunale Filmarbeit e.V. in der Ausgabe Kinema Kommunal 2/2012.

 

,

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *