Godard und Ich (1955-1967)


Quelle: Gary Stevens – Jean Luc Godard at Berkley https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/8f/Jean-Luc_Godard_at_Berkeley%2C_1968_%281%29.jpg

22.12.22

Warum alles von Godard schauen? Länger schon habe ich mir überlegt einmal das gesamte filmische Werk einer Person in chronologischer Rheinfolge zu schauen. Aber warum genau Godard? Das weiß ich ehrlich gesagt auch nicht. Von Godard kannte ich bisher nur Le Mépris und einen dreiminütigen Kurzfilm in dem man Farbe beim Trocknen zusehen kann, anscheinend eine Allegorie für den Mai 1968 in Frankreich. Beides fand ich gleichermaßen interessant. Genauso wenig wie ich Godard kenne, kenn ich den französischen Film. Als Unwissender will ich mich nun in neues Terrain begeben. Genau deshalb vielleicht Godard? Godard bedeutet für mich Experimentierfreudigkeit und Avantgarde. Nun lassen wir uns auf das Ganze ein.

Alles begann mit vier Kurzfilmen. Abgesehen vom Erstlingswerk Operation béton, einer Dokumentation über den Bau eines Staudamms in der Schweiz, drehen diese sich alle um die Beziehungen von Frauen und Männern. Une femme coquette (1955) rückt dabei noch das Leiden unter dem Patriarchat in den Mittelpunkt. Eine sexuell frustrierte Hausfrau will ihrem Alltag entfliehen, indem sie auf der Straße mit einem Mann flirtet, welcher sie daraufhin verfolgt und gegen Bezahlung zum Sex zwingt. Retrospektiv werden die Ereignisse von einer Erzählperson geschildert, die dabei ihre eigene Schuld in den Mittelpunkt stellt. Sie habe Ehebruch begangen, sie weiß das es schlimm sei und sie wisse nicht weiter. Sie sucht die Hilfe bei einer anderen ihr bekannten Frau, die Situation scheint aber verloren und unauflösbar. Charlotte et son Jules (1958) und Charlotte et Veronique (1959), betonen dabei die Möglichkeiten gegen das Patriarchat aufzustehen. Beide Filme zeigen Männerfiguren, die unaufhörlich auf Frauen einreden. Die eine Charlotte bezeugt ihren Widerstand, indem sie eine fünfzehnminütige Schimpftirade über sich ergehen lässt und diese lediglich mit Grimassen kommentiert. Die anderen – Charlotte und Veronique – sind einander solidarisch, als sie merken, dass sie von einem Mann hinters Licht geführt wurden und gehen statt mit ihm, miteinander aus.

In diesen ersten Filmen sind die Männer und Frauenfiguren recht hölzern. Männer sind selbstverliebte Nymphomanen, welche beherrschen und besitzen wollen. Die Frauenrollen scheinen demgegenüber akzentuiert und haben mehr Tiefe. Sie wiegen ab, hadern mit sich selber, oder sind den Männern durch ihr Verhalten schlicht überlegen. Liebe ist nichts romantisches, sondern reine Beherrschung Anderer. Als Erstlingswerke merkt man eine klare Tendenz zur Verbesserung. Während Godards erste drei Filme noch sehr hölzern wirken, findet er in Charlotte et Veronique zögerlich eine eigene Sprache, welche als erster seiner Filme auch weiterzuempfehlen ist. Der Film ist gespickt von kleinen Easter Eggs. Eine Person hält z.B. eine Ausgabe der Cahiers du cinéma im Arm. Der erste Tag beschließt sich mit vier wenig besonderen Filmen, die aber deutlich einen Veränderungsprozess zeigen. Ich bin gespannt wie es weitergeht.

23.12.22

Ich habe zwei Fehler gemacht. Einmal habe ich mich dazu entschieden im Zug Filme zu gucken. Um mich herum verteilt saßen 4 kleine Kinder, die immer abwechselnd weinten. Leider ist mir deshalb nicht mehr viel davon im Kopf geblieben. Zum andern habe ich den falschen Film geguckt. Eine Geschichte des Wassers ist immerhin aus der Zeit der vorangegangenen Filme, wurde aber erst 1961 veröffentlicht. Eine Frau ist eine Frau ist aber auch von 1961, womit ich sogar zwei Filme übersprungen habe. Eine Frau ist eine Frau knüpft inhaltlich sehr nah an den frühen Kurzfilmen an, entwickelt das Thema Beziehungsstreit aus Charlotte et son Jules weiter. Die Charakterdynamik und auch die Machart des nahezu endlosen Streits erinnert sehr an das, was ich schon aus Le Mépris kenne. Aber immerhin das waren die ersten beiden Godard Filme die mir wirklich gefallen haben.

25.12.22

Pairs scheint aus nichts anderem als der Champs-Elysee und Cafés zu bestehen.  In Außer Atem reden die Charaktere über sehr viel ohne den Gegenstand je zu berühren. Die Intentionen werden klar ausgesprochen, was aber wirklich zwischen den Charakteren abgeht steht hinter den Dialogen, bleibt in den Gedanken verborgen. So auch Patricia im Film: „Ich schaue dich seit zehn Minuten an, und ich weiß nichts, absolut nichts.“  Klare Weiterentwicklung von seinen früheren Werken, die aber mehr Tiefe reinbringt. Godard interessierte sich bisher für streitende Männer und Frauen. Dabei ist es in der Regel der Mann, der die Frauen zu etwas bewegen will und die Frauen reagieren auf verschieden Art und Weise darauf, ohne direkt auf ihn einzugehen. So auch hier. Eine Frau ist eine Frau ist die genaue Umkehrung davon. Da ist es die Hauptdarstellerin, die mit ihrem Kinderwunsch auf den Mann zukommt. So kommt ein wenig Variation in das Ouevre.

Außer Atem gilt wegen Technik und Produktion als revolutionär. Heute wirkt das was damals wohl so anders war eher selbstverständlich. Ich habe das Gefühl eine abgeschmackte Romanze mit Krimi-Elemente zu gucken, in der aber irgendwie ein Funke Genialität steckt. Aus seinen früheren Filmen übernimmt Godard die Art der Drehorte, die Straßen und Cafés von Paris. Waren diese noch größtenteils mit Stativ gedreht, erhält Außer Atem durch die konstante Handkamera eine eigene innere Dynamik. Ab dem zweiten Drittel verlässt Godard seinen gewohnten Raum und betritt für ihn filmisches Neuland indem er von den gewohnten Flirt- und Streitszenen zu Verfolgungsjagden und Verrat hinleitet.

26.12.22

Der kleine Soldat (gedreht 1960, veröffentlicht 1963) habe ich auf dem Sofa mit meiner Oma geguckt. Oma gibt dem Film eine 1/10. Grund: es wird zu viel geraucht. Greift, obwohl in einem ganz anderen Umfeld angesiedelt, doch irgendwie die gleichen Thematiken auf. Genf ist jetzt Paris. Kommentar auf das Kino als solches. Es wird in zitierbereiten Sätzen gesprochen: „Kino das ist Wahrheit, 24 Bilder in der Sekunde.“ etc. Ein Thriller der sich Zeit lässt.

Ein Thema tritt zutage, dass bisher alle Filme unbemerkt durchzogen hat. Das was Kierkegaard das Problem der Mitteilung nennt: Die Charaktere versuchen einen Ausdruck für das zu finden was sie sagen wollen, schaffen das aber nicht. Bruno sagt, dass das Kino Wahrheit ist. Wahrheit ist bei Godard aber insgesamt bisher ein sehr fluider Begriff. Wahrheit scheint das Ziel der Film durch immer neue Perspektivierungen zu sein, wird aber nie erreicht. Im Anschluss an Kracauer bildet das Kino zwar die Wahrheit ab, diese zu entschlüsseln ist aber immer noch Aufgabe der Zuschauenden. Betrachtende, Schauspielende und Filmschaffende werden somit auf denselben Rang zurückgeworfen. Sie alle suchen nach einem Ausdruck für Wahrheit, der tiefer liegt und ihr authentisches Selbst offenlegt.

Vielleicht liegt darin die politische Absicht des Films? Drei Jahre lang war der Film in Frankreich verboten, weil er als subversiv galt. Aus heutiger Perspektive wirkt das sehr befremdend. Im Kern ist er nämlich reaktionär. Der französische Geheimdienst wird zwar als genauso verwerflich, wie die FLN-Rebellen dargestellt, letztere sind es aber, die Bruno foltern, und darüber hinaus auch mit der Gestapo gleichgesetzt werden. Ein sehr hufeisentheoretischer Film und interessant im Hinblick darauf, dass Godard später einmal Maoist werden wird. Moral wird komplett zugunsten einer individualethischen Verweigerungshaltung verworfen. Alles ist Scheiße und nur das Ich die einzig authentische Instanz die übrig bleibt.

Produktionstechnisch nach Außer Atem erstmal ein Rückschritt. Wie Eine Frau ist eine Frau kommt er ohne größere kameratechnische Experimente aus. Einzig der Handkameraeffekt ist verstärkt wahrzunehmen. In der Art und Weise wie der Enddialog zwischen Bruno und Veronica gestaltet ist, sind die Streitszenen aus Die Verachtung und Eine Frau ist eine Frau angelegt. Ein Raum, zwei Charaktere bewegen sich frei durch ihn hindurch. Es gibt ein separierendes Element im Raum (hier ein Bücherregal, in den anderen Filmen Wandstücke oder Säulen). Diese wird immer wieder genutzt um zueinander zu finden, nur um sich dann doch wieder (auch räumlich) zu seperieren. Der Streit dreht sich ewig weiter ohne zu einer Antwort zu kommen.

27.12.22

Die Geschichte der Nana S. setzt mit dem Thema der streitenden Paare an. Der Film wird sich insgesamt um Geschlechterrollen und die gesellschaftliche Determination des Indivuduums drehen. Eher nebenbei tritt aber das Mitteilungsproblem in den Vordergrund. Nana bringt es auf den Punkt: „Je mehr wir reden, desto weniger bedeuten unsere Wörter“. Genauso wie ein authentischer Ausdruck des Selbst durch die Sprache als unmöglich erscheint, ist eine friedfertige Beziehung zwischen Mann und Frau unmöglich.  Während Männer und Frauen getrennt voneinander noch ein gemeinsames Grundverständnis besitzen, können sie in der Beziehungen nur zum Streit finden. In der ersten Einstellung drehen und die beiden den Rücken zu, fast so als ob sie uns ihre Probleme nicht direkt ins Gesicht sagen könnten. Die Kamera und wir sind heimliche Beobachtende, welche dem Geschehen beiwohnen. Diese Illusion wird aber dadurch gebrochen, dass wir die Sprechenden im Hintergrund verschwommen in einem Spiegel betrachten können. Auch die Schauspielenden betrachten etwas und Ringen um Wahrheit und Authentizität, wie wir es tun. Im folgenden Gespräch werden direkt Zitate aus Der kleine Soldat und Außer Atem eingefügt: „Ein Vogel ist ein Tier mit einer Innen- und einer Außenseite. Nimmt man das Äußere weg, bleibt das Innere. Nimmt man das Innere weg, sieht man seine Seele.“ Der Film wird bewusst in die Kontinuität dieser Werke gerückt. Während die vorangegangenen Filme Godards eine reiche Intertextualität an Literaturreferenzen aufbauen in den immer wiederkehrenden Zitaten, tritt eine werkübergreifende Intertextualität ein.

Die Handkamera wird aufgegeben und zugunsten einer Statik ausgetauscht. Die Kamera scheint sich entlang einer vertikalen Achse frei bewegen zu können und schwenkt immer wieder in den Gesprächen um die Sprechenden umher. Genauso eingeengt aber doch frei wie die Kamera ist dabei unser Hauptcharakter. Während sie zu Beginn noch einen am frühen Sartre orientierten Freiheitsbegriff propagiert, vollzieht sie, wie auch Sartre, im Angesicht der sie bestimmenden Gesellschaftsverhältnisse einen Wandel. Im Enddialog dreht sich alles um die Unmöglichkeit der Freiheit und die Unfähigkeit zur Mitteilung. Wieder ist die einzige authentische Instanz das Individuum, doch genau das wird Nana geraubt. Während sie mit der Prostitution beginnt um Selbstverwirklichung zu finden, wird ihr diese dadurch lediglich geraubt. Godards Charaktere streben auf verschiedenen Ebenen nach Verwirklichung, können sie aber weder auf sprachlicher, ökonomischer, noch zwischenmenschlicher Ebene erreichen. Ein Ausweg wird uns nicht präsentiert, die Gegenwart ist Chaos.

28.12.22

So gut wie alle der bisherigen Filme Godards waren politisch. Sie behandeln Themen wie Geschlechterrollen, Unterdrückung und die Konsumgesellschaft. Mit Die Carabineri ist der Übergang zum politischen Film dann vollends gewagt, wenn aber auch auf sehr merkwürdige Art und Weise. Als Thrash-Film angelegt, werden Slapstick-Szenen mit Aufnahmen aus echten Kriegen überlagert. Ein Film der sich eigentlich über den politischen Film lustig macht. Die Message: Krieg ist schlecht und basiert auf ökonomischer Ausbeutung. Der Versuch das darzustellen ist aber genauso lächerlich. Lustigerweise wird das wohl wegen der ganzen Spezialeffekte einer seiner bisher aufwendigsten Filme gewesen sein. Das ganze ist wohl ein Versuch Truffauts berühmten Satz zu wiederlegen, das es keine Antikriegsfilme geben kann, die den Krieg darstellen.

Nebenbei bemerkt: Godard hat jetzt schon in mehreren seiner Filme eine Obsession für Alfa Romeo gezeigt und der stuttgarter Hauptbahnhof gilt als eine Sehenswürdigkeit auf der Ebene der Pyramiden und des Kolosseums.

29.12.22

Godards Beitrag zu der Antalogie Die sieben Todsünden ist zugleich eine Kritik der Moral, die wie ein entspannter Tag am Strand daherkommt. Ein Mann ist so von Faulheit übermannt, dass er es nicht mal hinbringt Sex zu haben, weil es ihm zu anstrengend ist sich nachher die Kleidung wieder anzuziehen. Godard bring seine Haltung zur Moral auf dem Punkt: Allgemeine Moral ist etwas das unter allen Punkten abzulehnen ist, weil sie uns zu impotenten Faulpelzen macht. Sehr schöne Filmmusik!

30.12.22

Die Verachtung macht etwas, was ich bisher bei Godard noch nicht gesehen habe: Er ist Nostalgisch. Im Zentrum der Handlung steht ein Drehbuchautor, der das Drehbuch für eine Odyssee Verfilmung von Fritz Lang umschreiben soll, weil das Studio mit dessen Probeaufnahmen unzufrieden ist. Ständig wird auf eine einfachere und bessere Vergangenheit der Filme verwiesen, in der das Geld noch keinen schlechten Einfluss auf die Filme ausgeübt hat. Der Film setzt die Themen der gesellschaftlichen Bedingtheit und der Mitteilungsproblematik fort. Es wird wieder die statische Kamera aus die Geschichte der Nana S. übernommen. Die mehrfach vorhandenen Übersetzungsszenen bezeugen hier auch die kulturellen Grenzen, die als Sprachbarriere hinzukommen. Die Übersetzerin übersetzt teilweise relativ frei und beschönigt Sachen und verschleiert so den Inhalt zusätzlich. In der Moderne ist alles unmöglich: man kann nicht richtig handeln, mann kann nicht richtig sprechen und man kann keine guten Filme mehr drehen. Das Schlimme ist aber, dass wir uns dieser Situation nur zu gut bewusst sind und aus ihr nicht mehr entfliehen können. Wir opfern unsere Emotionalität dem hedonistischen Materialismus

02.01.22

RoGoPaG sollte man besser unerwähnt lassen. Er ist einer der vielen Omnibusfilme dieser Jahre, deren einziges Merkmal die bekannten Regisseure sind. Geht in Godards Teil um Konsumkritik. Ein Mann beobachtet seine Frau beim Ehebruch, diese kann darauf angepsrochen aber gar nicht reagieren, sondern entgegnet ihm nur mit einer Werbung für Coca Cola.

08.01.23

Ich habe langsam das Gefühl bei Godard nichts mehr zu verstehen. Die Filme kreisen um so viele Themen und spielen mit Referenzen, deren Inhalte ich nicht mal ansatzweise überblicke. Dabei wird es mir aber nicht anders gehen, als dem durchschnittlichen Publikum seiner Filme. Bitte tut nicht so als ob ihr das hier versteht. Das ist ein Kino, welches einem seine Intellektualität entgegenstreckt und damit in der Fresse rumwedelt. In Die Außenseiterbande wird einem z.B. konstant vorgehalten, dass man einen Film schaut. Viele Szenen sind Anspielungen auf Filme im Film, bewusste Kontinuitätsbrüche im Schnitt, oder steigern durch ihre Absurdität die Unglaubwürdigkeit des Films. Handlungstechnisch haben wir es hier mit einem sehr unauffälligen Gangsterfilm zu tun. Zwei Gangster verführen eine junge Frau, die bei reichen Menschen wohnt, um an deren Geld zu kommen. Das handeln aller Charaktere wirkt überspitzt. Besonders Anna Karinas Spiel wirkt auf mich sehr superfiziell. Diese bewusst gesetzte Superfizialität will aber die Genialität des Gesamtwerks unterstreichen. Es sagt: Ja ich bin ein Film, ja schau mich an und ja, bitte, bitte, bitte denk doch endlich mal selber nach, lass dich hier nicht berieseln. Ich weiß nicht ob ich das so Genial finden soll, aber sitze zumindest davor und lasse mich mitreißen. Ich sehe einen Film der für mich gemacht ist. Oberflächlich betrachtet total plump und teilweise trashig, aber in der Tiefe intellektuell und formalistisch angelegt. Der Film will einen den wohlgebildeten Intellekt kraulen und einem für die eigenen Eingebildetheit einschmeicheln. Ich gehöre zu einer Bildungselite und bin Teil von Menschen die etwas verstehen, was andere nicht verstehen. Das erscheint mit hier als Aussage.

 

 

04.02.23

Ich habe mich jetzt fast einen Monat davor rumgedrückt weiterzugucken. Eine verheiratete Frau hat mich schon nach 5 Minuten abgeturnt. Das liegt aber nicht an dem Film. Ich kann nur sagen, dass der Film, wie eigentlich alles von Godard großartig ist. Was mich aber abgeturnt hat ist die Intellektualität dieses Kinos, ich habe nicht mehr das Gefühl einen Film zu schauen, sondern (film-)wissenschaftliche Aufsätze zu lesen. Aber solche die in die Kategorie fallen ihren nichtssagenden Inhalt mit einer besonders verklausulierten Sprache verdecken zu wollen. Ich habe es nur übers Herz gebracht diesen Film zu gucken, indem ich mir versprochen habe, danach etwas Hirnloses zu gucken. Deshalb habe ich dann noch Magic Mike angeguckt. Der war Klasse 5/5.

19.02.23

Wie das Leben so weiter geht habe ich mal wieder Corona und somit ist es die ideale Zeit mich wieder mit diesem nihilistischen Kino zuzuballern. Heute habe ich Die Frauen sind an allem Schuld gesehen, Der Titel ist ein weiteres Glanzstück deutscher Übersetzungskunst, welcher so nebenbei komplett den Inhalt des Films verfehlt. In allen anderen Sprachen heißt er ungefähr „Die schönsten Betrügerinnen der Welt“. In diesem Episodenfilm geht es um verschiedene Geschichten von Betrug, in welchem zwar in einem Fall eine Frau die Betrügerin ist (Hiromichi Horikawas Episode), in allen anderen aber offensichtlich Männer an allem Schuld sind. Godards Episode dreht sich für ihn typisch darum, dass es eigentlich die Wahrheit ist die uns betrügt. Besonders im Kino. Warum muss es in der Kunst eigentlich immer um Wahrheit gehen, warum soll Wahrheit durch etwas anderes gefunden werden? Metaphysik beiseite, war der Film eine einzige Blamage. Schon die Entscheidung des Produzenten Godards Episode in der im Kino ausgestrahlten Version herauszuschneiden sagt genug über den Film aus. Diese ist erst wieder mit dem Blu-Ray Release 2016 überhaupt wieder zugänglich geworden. Bezeichnenderweise hat sich Roman Polanski aus dem Projekt rausschneiden lassen. Alles in allem hoffe ich auf besseres.

 

Intermezzo in Cannes

Einige Monate später geschrieben: Letztes Werk von Godard auf dem Festival in Cannes gesehen. Irgendwas mit der Legitimität von Revolution. Keine Ahnung was da abging. Kollagen mit unzusammenhängenden Kommentaren. Stark dekonstruiertes Kino.

 

15.06.23

Elf Uhr Nachts lief im aka also Sehreinfolge unterbrochen, die ich sowieso aufgegeben zu haben scheine. Ich habe mich wirklich entsetzlich gelangweilt. Die ersten 15-20 Minuten waren aber echt schön. Danach wirren Szenen von Menschen die im Auto durch die Gegend fahren. Verfängt sich in der endlosen Vieldeutigkeit vom gezeigten. Auch sehr unangenehm, weil es wieder einer von den Filmen ist, wo Hauptdarsteller und Hauptdarstellerin die ganze Zeit nur streiten.

13.01.24

Was ist passiert? Fast ein Jahr Pause! Die geballte Erfahrung Godard in so wenigen Monaten war dann wohl doch zu viel. Es hat sich bei mir etwas eingeschlichen und mir die Lust am Godardschauen zunichte gemacht. Sobald ich es wieder versuche bekomme ich Kopfschmerzen und muss aufhören. Jetzt lief aber der nächste Film auf meiner Liste im KoKi Freiburg auf 35mm und ich habe mir einen Ruck gegeben. Vorwarnung! Wieder eine dieser schrecklichen deutschen Übersetzungen: Lemmy Caution gegen Alpha 60. Irgendwie umwerfend. Der emotionale und etwas irrationale Agententyp Lemmy fährt in eine unbestimmte Zukunft nach Alphaville, der Hauptstadt eines KI-Gesteuerten Reichs der Vernunft. Im Zentrum steht so die Binarität dieses Konfliktes der sich als unauflösbar zeigt. Ein klares Statement für die „unmittelbare Erfahrung des Bewusstseins“ wie Lemmy das zusammenfasst. Interessant ist, dass alle Menschen in der Vernunftwelt objektifiziert werden. Frauen werden in der Regel zu Sexsklavinnen reduziert, es gibt einige, deren Beruf es ist leichtbekleidet in verschiedenen Räumen zu stehen. Die christliche Religion ist als gegebener Leitfaden für alle akzeptiert. Emotionen gehören unterdrückt und werden mit dem Tode bestraft. Aber unter der Oberfläche brodelt es: Allerhand rebelliert da und es sind gerade die körperlichen und emotionalen Erfahrungen welche den KI-Overlord gefährlich werden. Dystopie mit utopischem Potenzial, ganz in den Diensten der 1960er. Nur noch einige Jahre bis zur maoistischen Phase. Vielleicht geht es hier ja demnächst weiter. Die Lust ist wieder da. Bisher einer seiner besten Filme.

 

11.02.24

„Philosophen und Filmschaffende haben eine gewisse Seinsart gemeinsam, einen gewissen Blick auf die Welt, der eine Generation verkörpert.“

Wenn das so stimmt, dann waren die 60er ziemlich am Arsch. In Maskulin Feminin begegnen wir einer auseinanderdriftenden Gesellschaft, die sich nicht klar darüber ist, wohin sie will. Der Pärchenkonflikt bleibt weiterhin zentral: Paul und Madeleine finden zusammen, sie wird schwanger, obwohl nie wirklich klar wird, warum sie sich überhaupt lieben. Ihre Gespräche scheinen in der Regel wie eine einzige Beleidigungskaskade. Paul beleidigt sie als Schlampe und wird oft alleine zurückgelassen, während Madeleine mit Freundinnen abzieht. Sie stellen wohl den titelgebenden Gegensatz da: Maskulin und Feminin, unvereinbar gegeneinander. Sie will Erfolg und Karriere, er Sex und Klassenkampf. Der filmische Blick geht aber über diese engen Rahmen hinaus. Die beiden umgibt eine vibrierende Welt voller Konflikte, die immer wieder zum Vorschein kommen. Paul führt eine Reihe an soziologischen Interviews, in denen sich die weiblichen befragten ihm aber eher verweigern, als ihre Bedürfnisse aufzudecken. Es scheint so, dass die Charaktere nicht mal selber wissen, wie sie zu ihrer Zeit stehen sollen. Politik interessiert sie nicht. Alles steht in Gegensätzen: „Es war die Zeit von James Bond und Vietnam.“ Konsum-Kultur, schnelles Leben, amerikanischer Materialismus versus Klassenkampf, globale Gerechtigkeit und PCF. Die Sechziger waren der Höhepunkt der Suche nach dem dritten Weg, zwischen dem Betonkommunismus und Kapitalismus. Nach Godard führen beide Seiten offensichtlich zu Nichts und es muss etwas Neues her, die Widersprüche und Gegensätze in denen wir befangen sind müssen durchbrochen werden. Als gemeinsamer Faktor dieser Entwicklung werden die Entfremdung und Individualisierung identifiziert, welche sich totalisierend bis in die kleinsten alltäglichen Verhaltensweisen hineinbegeben und sie entstellt. Zärtlichkeit gibt es nur in der Gemeinschaft nie dualen Plural.

13.02.24

In Made in USA ist alles auf der Suche nach dem Sinn. Die Agent*innen, denn sie wollen einen Mord aufklären. Die Charaktere, denn sie wollen ihre Rolle verstehen. Der Film, denn er will sich selber verstehen. Die Linke, denn der autoritäre Kommunismus ist fragwürdig geworden. Der Regisseur, denn er will die Wahrheit inmitten all der fragwürdig gewordenen Vorstellungen finden. Wir werden mit einem ständig um sich kreisenden, selbstreferentiellen Kino zurückgelassen. „Ja, wir waren in einem politischen Film – Walt Disney mit Blut.“ Solche Sätze kommen zu Hauf vor. Je nach Situation formulieren die Charaktere ihre Positionen auch philosophisch aus. Anna Karina ist mal Existenzialistin mal was anderes. Ein Mann in der Bar vertritt einen deflationistischen sprachanalytischen Ansatz. Die ganze Gegenwart scheint darin abgebildet, alles vermischt, alles fragwürdig. Das ist aber nicht nihilistisch gemeint. Alles ist durchdrungen von einem tiefen Trieb nach Bedeutung und der Hoffnung auf sie. Wir als Zuschauende sind der Aufgabe überlassen darin den Sinn zu finden. Vielleicht als eine Reflexionsübung für uns gedacht. Beispielhaft die letzten gesprochenen Sätze im Film: „Links und Rechts sind vollständig obsolete Vorstellungen. Wir sollten Dinge nicht entlang dieser Begriffe formulieren.“ „Wie dann?“ Darauf wird uns keine vorgefertigte Antwort gegeben.

15.02.24

2 oder 3 dinge die ich von ihr weiß: Die ausschweifende Darstellung der Stadt schleicht sich als Thema ein und liefert so Perspektiven, welche bei Godard bisher nicht vorkamen. Standen zuvor immer Personen im Mittelpunkt der Bilder, rückt die Lebenswelt in die Betrachtung mit hinein. Hat etwas von einer soziologischen Analyse. Die Charaktere wirken von ihrer Umwelt wie getrennt. Sie sagen oft Dinge, die reine Reflexion sind und nichts mit ihrem Umfeld zu tun haben, aber dennoch durch dieses motiviert sind. Der gesamte Film ist von einer Frustration über die Unmöglichkeit Bilder adäquat in Sätzen wiederzugeben getragen. Die Mitteilungsproblemaitk ist jetzt vollends auch auf die Filmsprache übertragen. Sprache und Bild kommen nicht zusammen. Wir sind auf sie angewesen, aber sie kann nie adäquat die Realität in Worte fassen. Dennoch entströmt den Bildern wie Worten andauernd Bedeutung wie die Erzählerstimme betont. Wir können gar nicht anders als Bedeutung zu erzeugen, ohne damit die Objektivität der Welt fassbar zu machen. Wir die wir den Film schauen, wollen in den genialen Bildern einen Sinn sehen und tuen das auch. Dem Regisseur geht es genauso.

In einer Reihe mit den Filmen der zwei Jahre zuvor fühlt er sich wie eine genuine Innovation und Radikalisierung seines Stils an. Primär, indem die Charakteranzahl erhöht wird und es nicht mehr in erster Linie um individuelle Geschichten geht. Sekundär, indem die radikale Frustration über die Medien des menschlichen Ausdrucks auf die Spitze getrieben werden. Bruch mit dem herkömmlichen Rahmen der filmischen Handlung, der in den früheren Filmen zumindest mehr oder weniger beibehalten wurde (Maskulin Feminin macht da wohl den ersten Ansatz zur Ausnahme).

21.02.24

Im einem Beatles Lied heißt es: „If you go carrying pictures of chairman Mao/ You ain’t gonna make it with anyone anyhow”. Im Klima der späten 60er Jahre kurz vor dem heißen Mai, den Barrikaden und de Gaulles plötzlicher Ausreise war die Stimmung so aufgeheizt, dass sich selbst die Beatles irgendwie in diesen Prozess mit einbringen wollten. John Lenon führt gegen den Maoismus seinen großen Gegenentwurf ins Feld: „You better free your mind instead“. Anstelle Ideologie durch eine andere Ideologie zu ersetzen, solle man sich lieber ganz von den haßerfüllten Ideologien befreien. So ein bisschen beschreibt das meine Schauerfahrungen mit Die Chinesin. Einerseits kritisch, distanziert gegenüber der revolutionären Linken, andererseits verklärend, und ästhetisch verkitschend. Eine gruppe gutaussehender Studenten sperrt sich für einen Sommer in einer Wohnung ein und gründet eine Kommune um die Worte Maos zu studieren. Er fühlt sich wie ein generischer Godard-Film dieser Jahre an: Statt klare Aussagen zu treffen kreist alles diskurshaft um den Punkt drum herum. Alles brodelt vor Gewalt und im Endeffekt geht es um die Unmöglichkeit auch ideologisch einen klaren Ausweg aus dem Problem der bildlichen Darstellung der Realität zu finden. Der Film hat Godard aus linken Kreisen viel Kritik eingebracht, da er keine klare Position bezieht und die Perspektiven auf konkrete revolutionäre Handlungen (das heißt hier Terroranschläge) negativ bewertet. Aber vielleicht ist es genau dieses Kreisen, um den Punkt, die Aufnahme aller möglichen alternativen Sichtweisen auf das immer gleiche, welcher Godards Gegenentwurf beschreibt. Vielleicht ist er damit gar nicht so weit weg von Lenon. Tolles Stilmittel: Die so tolle von links nach rechts schweifende Kamera aus Die Geschichte der Nana S. kehr zurück. Nur diesmal scheint sie viel blockierter. Sie schwenkt während den ideologischen Lehrstunden am Haus vorbei, das teilweise unseren Blick auf die Studierenden verdeckt. Genauso geradlinig und einseitig ist das was im Haus vor sich geht, stur wird eine Weltsicht bibelartig einstudiert.

03.03.24

Irgendwie ist alles am Ende. Weekend ist ein Film dem man ausgesetzt ist, der nicht nur sein Publikum, sondern auch sich selber hasst. Hier gibt es nichts Sympathisches, alles strahl Ekel aus. Die Gewalt ist wie in den vorherigen Filmen omnipräsent, nur ist sie nicht mehr verdeckt, sondern wird ganz offen ausgelebt. Wir begegnen einer Gegenwart, deren Machtverhältnisse klar benannt und gezeigt werden. Irgendwie erscheint das alles müde, karikaturhaft, abgelebt, so als ob Godard nicht mehr weiterwusste und in eine Sackgasse geraten war. Gespannt wie es weiter geht


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