Es ist mal wieder so weit: seit gestern läuft die 69. Auflage der Berlinale. Wie auch in den vergangenen Jahren werden wir hier auf Highnoon für euch aus Berlin berichten – allerdings erst ab Montag, da ich davor nicht anreisen kann. Die letzte Berlinale unter der Leitung Dieter Kosslicks wurde von diesem unter das Motto “Das Private ist politisch” gestellt. Darunter werden vier Themen zusammengefasst, die zwar einerseits äußerst privat sind, auf der anderen Seite aber auch “für das große Ganze” (Kosslick) stehen: Kindheit, Familie, Gendergerechtigkeit und unsere Ernährung.
Vielleicht hat die eine oder andere von euch gestern Abend wie auch ich die Eröffnungsgala auf 3sat verfolgt – zumindest solange man es ausgehalten hat. Anke Engelkes Moderation und die mehr oder weniger peinlichen Interviews konnte ich nur in Maßen genießen. In der Übertragung wurde in einem Beitrag aber auch eines der oben genannten Themen aufgegriffen, das der Berlinale – zurecht – nicht nur als Inhalt seiner Filme, sondern auch beim Festival an sich wichtig zu sein scheint: die Gendergerechtigkeit. Zwar hat sich die Situation von Frauen im Filmgeschäft in den letzten Jahrzehnten schon deutlich verbessert, zumindest was den Anteil an den Filmschaffenden angeht, allerdings sind Regisseurinnen gegenüber ihren männlichen Kollegen immer noch deutlich unterrepräsentiert. Außerdem hat nicht zuletzt #metoo noch einmal deutlich gemacht wie stark patriachalisch das Filmgeschäft immer noch dominiert ist und wie steil das Machtgefälle verläuft.
Dass dieses Thema den Macher*innen der Berlinale am Herzen liegt, wurde an mehreren Stellen der Eröffnung deutlich. So wurde von Anke Engelke darauf Aufmerksam gemacht, dass sich der Anteil der Regisseurinnen bei den Wettebewerbsbeiträgen (allerdings auch nur, wenn man die Filme die außer Konkurrenz laufen nicht mitzählt) im Vergleich zum letzten Jahr auf 40% verdoppelt hat; Dieter Kosslick fügte dem hinzu, dass bei den Angestellten der Berlinale schon seit Jahren Gender-Parität herrsche und natürlich wird die Jury dieses Jahr mit Juliette Binoche auch von einer Frau geleitet. Vor einigen Tagen hat die Berlinale außerdem alle Pressevertreter*innen auf seine Gender-Evaluation aufmerksam gemacht, in der für alle Sektionen des Festivals der Anteil von Frauen an Regie, Drehbuch, etc. aufgeführt wird. Aus dieser geht hervor, dass es auch höchste Zeit wurde, dass die Berlinale mehr auf Gendergerchtigkeit wert legt. So hatte sich der Anteil der Wettbewerbsbeiträge von Frauen von den 50er Jahren mit 0,7% bis in die 80er immerhin bereits auf 11% erhöht – dieser Wert stagnierte aber bis in das erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausends, wo er sogar wieder unter 10% rutschte. Erst seit 2011 ist mit 19% eine Steigerung der weiblichen Beteiligung zu verzeichnen. Und auch wenn wir mit 40% Anteil an den Wettbewerbsbeiträgen von Frauen einen höchststand erreicht haben und in der Sektion “Generation” die Regisseurinnen sogar mehr Filme stellen als ihre männlichen Kollegen, offenbart ein Blick auf andere Disziplinen, wie zum Beispiel Kamera, wo Frauen nur ungefähr 10% stellen, dass es immer noch ein weiter weg zur Gendergerechtigkeit im Filmbetrieb – und auch auf der Berlinale – ist.
Ich selbst habe mir vorgenommen mein Möglichstest dazu beizutragen, dass Filmen von Frauen mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, weshalb ich beim Zusammenstellen meines Programms vor allen Dingen Filme von Regisseurinnen in den Blick genommen habe. Meinen Fokus werde ich dabei auf den Wettbewerb legen, wo ich allerdings mit dem Eröffnungsfilm The Kindness of Strangers von Lone Scherfig, Systemsprenger, dem Erstlingswerk der deutschen Regisseurin Nora Fingscheidt, und Der Boden unter den Füßen von Marie Keutzer die ersten drei Beiträge von Frauen verpasse. Außerdem entgehen mir aufgrund meiner verspäteten Anreise Fatih Akins Verfilmung von Heinz Strunks Roman Der goldene Handschuh (die allerdings bereits am 21.02. in die Kinos kommt) und François Ozons Grâce à Dieu. Ich freue mich trotz allem sehr darauf nächste Woche noch Isabel Coixets Beitrag Elisa y Marcela und Agniezska Hollands Mr. Jones zu sehen. Ein weiteres Highlight ist für mich Joanna Hoggs hochgelobter Film The Souvenir im Panorama. Außerdem hoffe ich darauf direkt am Montag Christian Bale bei der Pressekonferenz zu Adam McKays Vice zu treffen – wenn der Film mich auch nicht interessiert.
Falls euch dieser Beitrag nicht schon zu lange war, würde ich mich freuen, wenn ihr ein bisschen mitverfolgt, was ich in der nächsten Woche so in Berlin treibe!