[ LOCARNO ] Mitten im Filmfestival geht auf einmal alles ganz schnell: Die öffentliche Schweizer Diskussion hält den bereits betagten Roman Polański, der eine schon mit Spannung erwartete Masterclass abhalten sowie einen Goldenen Leoparden in Locarno empfangen sollte, vom Festival fern und sorgt dadurch für verärgerte Festivalbesucher und einen ratlosen Direktor, den man am liebsten getröstet hätte. Zugleich erreichen zwei Todesnachrichten die feierliche Cineasten-Idylle am Lago Maggiore. So wurde der neunte offizielle Festivalabend auf der Piazza Grande unversehens zu einer Gedenkrunde an drei unverzichtbare Größen des Films.
Bei selbst für Locarno-Verhältnisse außergewöhnlich lang regnerischem Wetter trifft die Nachricht vom eigenhändigen Tod Robin Williams‘ wie ein Blitz ein, welcher mit Rollen wie Patch Adams, Flubber oder Mrs. Doubtfire auch immer ein wenig (völlig zu Unrecht) verkannt, jedenfalls aber bei einer breiten Bevölkerung sehr beliebt war. Im schockierten Wirbel verliert sich zunächst auch die Nachricht vom Tod einer der letzten Grande Dame Hollywoods, Lauren Bacall, die einen Tag später verstarb.
Diesen beiden so unterschiedlichen, großen Darstellern zu Ehren werden kurzfristig zwei zusätzliche Filme ins Programm genommen: Howard Hawks’ Film Noir THE BIG SLEEP (im Deutschen vor allem bekannt unter Tote schlafen fest) mit Bacall und Humphrey Bogart in der Programmreihe Histoire(s) du cinéma als Omaggio a Lauren Bacall, sowie Mark Romaneks Hollywood-Debüt ONE OUR PHOTO, der 2002 im Rahmen des Concorso internazionale für den Pardo d’oro nominiert war und den der umwerfend talentierte Darsteller Williams im wortkargen und ernsten Alleingang bestreitet. Die wohl damalige Festivalkopie im Format 35 mm in Originalsprache mit deutschen und französischen Untertiteln zeigt ihn noch einmal – und das ist Festivaldirektor Carlo Chatrian gar nicht hoch genug anzurechnen – auf dem prominenten Programmplatz der nächtlichen Piazza Grande. Zuvor richtete Williams’ sichtlich bewegte Partnerin in dem Film, Connie Nielsen, die dieses Jahr zudem in der Jury des Concorso internazionale saß, ein paar Worte des Gedenkens an die 8000 Zuschauer auf der Piazza.
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ONE HOUR PHOTO | USA 2002 – 98 Minuten – 35 mm
Regie: Mark Romanek
Drehbuch: Mark Romanek
Kamera: Jeff Cronenweth
Darsteller: Robin Williams, Connie Nielsen, Michael Vartan, Dylan Smith
THE BIG SLEEP | USA 1946 – 114 Minuten
Regie: Howard Hawks
Drehbuch: William Faulkner, Jules Furthman, Leigh Brackett
Kamera: Sid Hickox
Darsteller: Lauren Bacall, Humphrey Bogart, John Ridgely, Martha Vickers
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Text: Antje Lossin, 20.08.2014 – Locarno’14