Die erste Einstellung zeigt eine Hand, die eine Musikanlage lauter dreht – eigentlich ist damit alles gesagt. Tanz noch ein bisschen, trink noch ein Bier, zieh’ noch einen durch, komm mit auf mein Zimmer, Baby: so das Motto des neuen Linklater-Werks.
Wer sich auch nur ganz entfernt mit amerikanischem Collegeleben auskennt, der weiß: es ist eine Zeit des Feierns – für so manchen steht es sogar nicht nur im Vordergrund, sondern allein auf weiter Flur. Never mind dass die Eltern sich dafür verschulden; was man vom College mitnehmen will, ist hauptsächlich ganz viel Lebenlust und jede Menge “booze” (ugs. für Alkohol).
Aber irgendwo schlummert – und es wäre wohl kein Linklater-Film, wenn nicht – eine Spur mehr Tiefgründigkeit. Genau genommen schlummert sie in Jake (Blake Jenner), Hauptfigur und hoffentlich zukünftiger Pitcher des Baseballteams. Einen festen Platz muss er sich dort erst erkämpfen, denn er ist neu am College, ein Freshman. In Beverly, die er kennenlernt, schlummert die Tiefgründigkeit auch, aber sonst – it’s save to say – schlummert sie in absolut niemandem.
Es sind die 80er, die Zeit der furchtbaren T-Shirts, der abenteuerlichen Frisuren und der einfachen Dinge im Leben. Mit dem Auto durch die Stadt cruisen und die Musik aufdrehen ist eines solcher Dinge, und wenn man Jake und seinen neuen Kumpels dabei zusieht, wie sie zur Sugarhill Gang grooven, sich die Kalifornienluft um die Nase wehen lassen, und abwechselnd erfolglos Mädels angraben, dann möchte man am liebsten einsteigen. Sogar als Frau.
Denn diese werdenden Männer sind zwar wahnsinnig trampelig in dem, was sie tun, schauen nicht nach links und rechts und wollen nur eines – nämlich “some” – und doch wollen sie niemandem etwas Böses. Sie können nicht anders. Sie sind jung. Sie sind zum ersten Mal frei. Also tun sie das Unvermeidbare: Das Leben zelebrieren, bis keiner mehr stehen kann.
Dabei sind Jakes Mitfeiernde einem alle auf mysteriöse Weise sympathisch: sei es Finn, dessen Taktik es ist, sich jeder Frau anzupassen, auf ihrer Ebene mit ihr zu flirten (meist erzählt er ihnen, er hätte einen “average cock”, aber er kann auch anders!), der Texaner Bill, der sich gegen die Hänseleien der anderen nicht so recht wehren kann, der taffe McReynolds, der im Laufe des Films immer verwundbarer wird, der saucoole Dale, dessen Sprüche immer eine Punktlandung sind, oder der zweite Freshman-Pitcher Willoughby, der einen neuen Rekord im Bong-Rauchen aufstellt (ein typischer Fall von “Don’t try this at home”), dass sich die Pupillen der anderen nur so weiten (also, noch mehr).
Irgendwo dazwischen liegt die Frage in der Luft: Und was kommt nach der Party? Was kommt, wenn der Alkohol getrunken und das Weed geraucht ist? Sie steht Jake auf der Stirn geschrieben, der zwar kräftig mitfeiert, aber dennoch die Rolle des Beobachters einnimmt. Er bleibt im Hintergrund, und als Zuschauer hält man ihn für vernünftiger, ohne das konkret an etwas festmachen zu können. Vielleicht ist es sein Lachen, das nicht wie bei den anderen aus ihm herausbricht, sondern sich nur zögerlich auf seinen Lippen breitmacht. Doch diese Frage ist nur wie ein Lied, das man kaum erkennbar aus den Kopfhörern eines anderen wahrnimmt – es verdirbt einem nicht die Zugfahrt.
An Einem jedenfalls spart der Film garantiert nicht: einer Reihe wunderbar derber Sprüche, die so souverän nur Amerikaner abliefern können – “Play like you’ve got some fucking semen in your sack, bro!”, um nur einen zu nennen.
In diesem Sinne: Schnappt euch ein Bier, lehnt euch zurück, und bitte, nehmt diese zweistündige Party nicht allzu ernst.