Kurzkritiken der Woche (7)


aka-Filme

The Dead Don’t Die

Das muss man sich mal vorstellen: Im Jahr 2019 hat ein derart interessanter Regisseur wie Jim Jarmusch nicht mehr zu sagen als: “Hahaha, ich lass einfach mal wirklich Smombies durch den Film laufen, ihr Blödiane!”. Ein bitteres Zeugnis niedergehender Autoren(filme), die sich in ihren plumpen politischen Botschaften und schlechten Allegorien verlieren. (Autor: Dominik Schröder)

Aktuelle Kinofilme

The Forest of Love – Verstörende Netflix-Kost aus Japan

Sion Sono auf Netflix. Klingt paradox und lässt vermuten, dass der japanische Pop-Avantgardist nun Mainstreamkost serviert. Ist aber nicht so und The Forest of Love vielleicht die bis dato verstörendste Netflix-Produktion. Es stimmt natürlich, dass Sono in seinem überlangen, überladenen Film um eine sadomasochistische Filmcrew nicht unbedingt überrascht, da er einige Motive seiner früheren Filme locker reproduziert, allerdings ist Sono überhaupt ein Regisseur, der an seinen Thematiken festhält. Also geht der Blick wieder auf eine patriarchale Gesellschaft, die kaputte Individuen produziert. Manipuliert und geschändet, erhalten die nur durch (Selbst-)Zerstörung so etwas wie Selbstbestimmung. Elegisch und unmittelbar schön ist bloß der selbstbestimmte Tod wie er auch am Ende des im Film vielzitierten “Romeo und Julia” steht. Was The Forest of Love dabei so radikal macht, ist sein starrer Blick auf die zerstörerischen Dynamiken, die dem Tod vorausgehen. In quälend gleichförmigen Szenenfolgen werden Menschen gedemütigt und, noch schlimmer, lassen sich ohne echten Widerstand demütigen. So kann man Sono durchaus eine nihilistische Grundeinstellung unterstellen, wenn er seine Zuschauer*innen hoffen lässt, durch Mord, Tod endlich eine Entladung des Drucks zu erreichen, der sich über all den geschändeten Körpern so lange aufgebaut hat. In diesem Pop-Albtraum voller skurriler Momente wie asozialer Figuren gibt es nur den plötzlichen Weg des Schicksals oder eben des Filmskripts. Psychologie, Schlüssigkeit und Humanität gibt uns Sono nicht und bleibt damit auch auf Netflix einer der unangenehmsten Regisseure der Gegenwart. (Autor: Fabian Lutz)

Marriage Story

Im Scheidungsfilm Marriage Story bewegt sich Noah Baumbauch in einem Genre, das ihm biografisch wie künstlerisch höchst vertraut ist. Als Kind geschiedener Eltern und selbst in zweiter Ehe kehrt er zum Thema zurück, mit dem er 2005 durch Der Tintenfisch und der Wal groß rauskam. In seiner geschlechter-stereotypen Figurenwahl, einer weichen Pastell-Optik mit einem rührselig-melancholischem Soundtrack, der nie den Blick für das poetische große Ganze verliert, liefert der Film auf den ersten Blick wenig Originelles. Ein Theaterregisseur und eine Schauspielerin aus Brooklyn, sensible und eigentlich liebevolle KünstlerInnen also, können nicht mehr miteinander, weil er zu stark an seinem beruflichen Erfolg hängt, der Schatten seines Genies ihr nicht mehr genügt und sie es nicht mehr erträgt, ihre eigenen Interessen in den Hintergrund zu stellen. Im Verlauf ihrer Trennung schlingern sie in einen Scheidungskrieg, den keiner von beiden wirklich möchte oder kommen sieht und der sie menschlich wie finanziell an die Grenzen des Ruins treiben wird. Trotz dieses Stoffs, der einem stets bekannt vorkommt, ist Marriage Story eine vielschichtige Studie von Phasen einer menschlichen Beziehung. Gefühle und Stimmungen schwingen in den fast unerträglich intimen Dialogen in einer gewaltigen Bandbreite zwischen Liebe, Respekt und Verachtung, was nicht zuletzt dank Scarlett Johansson und Adam Driver in den Hauptrollen in jedem Punkt realistisch und nachvollziehbar bleibt. Auch wenn ein paar Witze einen etwas unbeholfenen Comic-Relief-Beigeschmack haben, zeigt Baumbach grundsätzlich einen scharfen Blick für Komik und Absurdität, die eine Trennung begleiten können, was die bedrückende Atmosphäre manchmal entspannt. Aber weil der Film einfach so wahr wirkt, stimmt er einen dann immer wieder todtraurig – selbst der narrative Rahmen, der unglaublich erwartbar um die Ecke kommt und den man sich bemühen kann, als kitschig zu entlarven, hallt lange nach in seiner Frage über den Zusammenhang von Liebe und der Funktionalität einer andauernden Beziehung. (Autor: Julius Schmid)

Marriage Story – Ökonomisierung des Alltagslebens

Noah Baumbach hat mit Frances Ha und Mistress America durchaus sympathische, aber redundante Figuren in die Filmwelt eingeführt und statt diese Redundanz der Großstadt-Mittelschicht aufzudecken, ging er ihr eher auf den Leim und am Ende bleibt der Zuschauer ohne tiefere Erkenntnis zurück; wir haben bloß eine weitere Identität kennengelernt. Anders verhält es sich mit seinem neuesten Film Marriage Story, der derzeit noch im Kino zu sehen ist und ab dem 06.12. auf Netflix. Der Umstand, den Marriage Story so interessant macht, ist eigentlich ein genialer Kniff des Drehbuchs: Zwei Ehepartner werden auf die Institution eines Scheidungsprozesses gezwungen, da es sich für ein rationales Individuum eben gehört, auf den eigenen Vorteil zu achten und den Verlust zu minimieren. Damit geht es in diesem Film nicht nur oberflächlich um die Selbstverwirklichungsdoktrin der Moderne wie in Frances Ha, sondern um durchökonomisierte Prozesse, die das Leid und den Geschlechterkampf derart instrumentalisieren, dass der richtige Konflikt der beiden Ehepartner sich erst im Laufe der Streitigkeiten um Nichtigkeiten entlädt. War man sich vorher im Privaten klar, wer was erhalten sollte, ist es die ökonomische Doktrin, die den beiden ihre Bedürfnisse vordiktiert. Somit sind es die Annahmen eines durch und durch egoistischen und rationalen Menschen, die den Grundtenor der Ökonomie und somit des Scheidungsprozesses angeben. Eine Ideologie eben. (Autor: Dominik Schröder)


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