Heist oder nicht Heist? – Steve McQueens Widows


© 2018 Twentieth Century Fox

Mit Widows kehrt der Brite Steve McQueen fünf Jahre nach 12 Years a Slave wieder in den Regiestuhl zurück. Dabei könnte das Setting sich kaum stärker von seinem im Jahr 2014 mit dem Oscar für den besten Film prämierten Werk unterscheiden. Nach seinem Historienepos, in dem er sich mit der Geschichte der Sklaverei in den Südstaaten außeinandersetzte, kehrt er in seinem aktuellen Werk ins Chicago der Gegenwart zurück. Ein wichtiges Grundthema – nämlich die Ausbeutung Schwarzer Frauen und Männer durch weiße (in ihrer Mehrzahl) Männer – bleibt ihm dabei aber erhalten, womit er auch unterstreicht, dass dieses Thema kaum an Relevanz verloren hat.

In seinem neuesten Film dient ihm dabei das Grundmodell des Heist-Movies als Rahmen, um sich mit den Problemen mit denen sich Women of Color in ihrem Leben konfrontiert sehen außeinanderzusetzen. Deshalb darf und muss auch die Frage gestellt werden, ob es sich bei Widows tatsächlich um den Heist-Movie handelt, als der er vermarktet wird. Zwar werden tatsächlich einige der typischen Tropen des Genres aufgegriffen (Planung, Vorbereitung und Durchführung des Raubs, Zusammenstellung eines Teams), allerdings treten diese in den Hintergrund zurück und bilden nicht mehr als das Grundgerüst des Films.

Dabei ist der von Veronica (Viola Davies), Linda (Michelle Rodríguez) und Alice (Elizabeth Tabicki) durchgeführte Heist, der eigentlich von ihren kurz zuvor bei einem weiteren Raubzug verstorbenen Ehemännern geplant wurde nur einer der Handlungsstränge. Nebenbei – oder vielleicht vor allem – spielt sich der Wahlkampf um einen Sitz im Stadtrat Chicagos für einen vor allem von People of Color bewohnten Stadtteil zwischen Jack Mulligan (Colin Farrell) und Jamal Manning (Brian Tyree Henry) ab. Letzterer möchte der erste Schwarze Stadrat des Bezirks werden, nachdem die Mulligan Familie diesen seit Jahrzehnten besetzt hat.

McQueen schafft es in seiner unterhaltsamen Heist-Rahmenhandlung uns drei starke Frauen zu präsentieren, die sich nicht in ihr Schicksal ergeben. Gleichzeitig zeigt er uns die intrigante Welt der Lokalpolitik, in der es um reine Machterhaltung zu gehen scheint. Dabei steht auch wiederum das Machtgefälle zwischen Weißen und Schwarzen (in diesem Fall Frauen) im Mittelpunkt. Wie stark die Diskrepanz der Lebenswelten ist, demonstriert McQueen in einer zwei Minuten langen Szene mit der vielleicht besten Kamerafahrt des laufenden Kinojahres. In dieser unterhält sich Jack Mulligan mit seiner Assistentin auf der Fahrt von einem Wahlkampfauftritt zu seinem Haus am Rande seines Wahlbezirks, wobei die Kamera sich auf der Motorhaube des Autos befindet und wir nur die Windschutzscheibe, nicht aber die Gesprächspartner sehen. In den Reflektionen sehen wir, wie sich im Laufe der kurzen Fahrt das Bild des Stadtviertels von eng aneinander gedrängten Wohnblocks zu großzügigen Einfamilienhäusern wandelt.

McQueen muss sich aber auch vorwerfen lassen, dass er vielleicht ein oder zwei Handlungsstränge zu viel in den Film eingeflochten hat, was dazu führt, dass am Ende einige lose Fäden übrig bleiben und vor allem viele der Charaktere in ihrerer Entwicklung zu kurz kommen. Dies wurde insbesondere in Bezug auf Jamal Mannings von einem genialen Daniel Kaluuya (Get Out) verkörperten Bruder Jatemme immer wieder kritisiert. Gerade in diesem Fall würde ich widersprechen und behaupten, dass die Entwicklung dieses Charakters, der nicht mehr als eine Karikatur sein soll, für die Intention des Films nicht nur nicht notwendig sondern sogar störend wäre, da er von den eigentlich zentralen Personen, nämlich den Frauen, ablenken würde. Viel eher stellt sich die Frage allerdings bei diesen Frauen selbst. Gerade Michelle Rodriguez wird kaum Raum zur Entwicklung ihres Charakters zugestanden, so dass diese am Ende eher eindimensional bleibt. Viola Davies und vor allem Elizabeth Tabicki überzeugen hingegen in ihren Rollen als starke Frauen, die sich von niemandem etwas sagen lassen wollen.

Insgesamt könnte man sich vielleicht darüber beschweren, dass McQueen seine Botschaft (etwas verkürzt aber wohl doch zutreffend: “Geld regiert die Welt und Geld haben vor allem weiße Männer”) etwas zu oberflächlich und platt verpackt. Das äußert sich insbesondere an einem Randcharakter, den Elizabeth Tabicki im Laufe des Filmes häufiger trifft und der praktisch die Verkörperung dieser Botschaft ist und diese zusätzlich an einer Stelle sogar noch mehr oder weniger genau so verbalisiert. Trotz allem würde ich ihm zugute halten, dass er ein immer noch oder gerade jetzt relevantes Thema in eine unterhaltsame Geschichte verpackt und dabei gleichzeitig Frauen in den Mittelpunkt stellt, die sich nicht mit ihrer Situation abfinden und den Männern ihre Positionen streitig machen.


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