Gotham City in Tim Burtons Batman (1989)


Am Donnerstag den 07. Juli 2022 zeigt der aka-Filmclub den Batmanfilm “The Batman” von Matt Reeves, in dem das gewohnt gothische Design der Stadt zurückkehrt. Der perfekte Zeitpunkt, um aus einer filwissenschaftlichen Perspektive auf die Inszenierung urbaner Räume in Tim Burton’s erstem Batmanfilm zu schauen und inwiefern diese mit der Hierachie zwischen Batman und dem Joker zusammenhängt.

Raumtheorie

Schon früh wurde Raum theoretisch erfasst. Beispielsweise geht Günzel auf die historische Grundlage des Konzepts Raums zurück und nimmt antike Landvermessung in Ägypten in den Blick. Diese Geometrie bildet den Raum aus Flächen, die ursprünglich mit Stock und Seil vermessen wurden, also einen visuell konstruierten Raum. Der geometrisch konstruierte Raum hält sich mehr als zweitausend Jahre und begründet die Dualität der Philosophie in Metaphysik und der Ergründung von Physischem. Darüber hinaus prägte diese Vorstellung jegliche Form der Wissenschaft in ihrer Entstehung mit. Bis zu Einsteins Relativitätstheorie bleiben die beiden Konzepte Raum und Zeit zwar miteinander verbunden aber auch als in sich geschlossene Einheiten zu betrachten. Erst Hermann Mikowski und dann Albert Einstein nehmen sich diesen beiden Konzepten an und Einstein stellt fest, dass der Raum unserer Vorstellung eher ein Feld ist. Auch Harold A. Innis, ein amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und Kollege von Marshall McLuhan verweist in einer Rede auf die Konstruiertheit der Konzepte Raum und Zeit: „Raum und Zeit sowie ihr raumzeitliches Produkt besitzen lediglich als Gedankengebäude Gültigkeit, das wir uns selbst geschaffen haben.“ (Innis)

Wo die Theorie also von einer Konstruktion des Raumes ausgehen bildet sich diese auch aktiv ab, wenn Räume gestaltet. Beispielsweise beschreibt Timothy Mitchell nach Günzel in seinen Studien zu Ägypten eine aktive Hierarchisierung der Stadtplanung. Besonders mit dem Blick auf die Batmanfilme Tim Burton’s ist solch eine hierarchisierte Gestaltung einer Stadt bemerkenswert, da sowohl beim Set Design der Filme wie auch bei der Planung der ägyptischen Städte mit einer Ordnung von oben herab gearbeitet wird. Wo die Einrahmungspolitik Ägyptens aktiv den Raum auf Segregation und nach dem kolonialen Verständnis von Struktur ausrichtet, (Günzel 180) wird bei Tim Burton die konstruierte Stadt Abbild der Hierarchie zwischen Batman und Joker. Die inszenierten Modelle der Stadtarchitektur sind aus einer Perspektive der Raumaufteilung betrachtet worden und dahingehend inszeniert. Besonders spannend bleibt hier der Blick auf Inszenierungstraditionen aus dem Theater heraus. Günzel beschreibt das Renaissancetheater als Angelpunkt des Inszenierungsraums und nennt eine Entwicklung, die auch später aufgegriffen werden kann, um zu verstehen mit welchen Bildern Tim Burton die Dualität Batman/Joker inszeniert.

„Das bis dato zumeist simultane Bühnengeschehen vor transportablen Bühnenbildern an sakralen Orten oder im Stadtraum wird nun in Häusern mit getrenntem Spiel- und Zuschauerraum und mit perspektivisch angelegten Bühnenbildern zu sukzessiven Szenenfolgen verfestigt. Bereits Serlio legte die drei Formen des Bühnenbilds für Komödie, Tragödie und Satire fest; zusätzlich wird der bis dato horizontal organisierte Bedeutungsraum von Erde, Himmel und Hölle nun vertikal symbolisiert. […] das Renaissancetheater ist nicht mehr wie die mittelalterliche Bühne ein akustischer, sondern ein visueller Raum.“

(Günzel 63)

Mit dem Blick auf das letzte Drittel des Films sind die Raumbemerkungen zur Renaissance nahezu gleich anwendbar. Die fahrende Bühne des Jokers auf der Parade als Ort des simultanen Geschehens wird abgelöst vom Kinofilm. Der beschriebene urbane Raum der Straße vor der großen Kathedrale in Gotham wird ein letztes Mal zu Schauplatz des Kampfes und wird anschließend vom Film selbst abgelöst, der diese Bühne zeigt. Auch weiterhin bietet die Analyse der Renaissance Interpretationsansätze der Raumorganisation in Batman, die dem Kirchengebäude und der Inszenierung in die Höhe vorgreifen. Die Comicverfilmung unternimmt gleichermaßen eine Vertikalisierung der Räume hin zum Kontrast von weltlichem Raum auf der Ebene der Straße, dem Planeten Erde, welcher mit horizontalen Inszenierungsmitteln arbeiten hin zu einer Dualität aus Himmel und Hölle, die sich in der Architektur der Hochhäuser der Stadt Gotham niederschlägt. Schon Richard Sennet nimmt in seinen Beschreibungen New Yorks Bezug auf die Hochhausarchitektur der amerikanischen Großstädte.

„Er nennt einige Hochhauskomplexe, die trotz der vielen Glasfassaden scharfe Schnitte zwischen den Außenraum und den Innenraum legen, wobei der Außenraum fast zur Gänze dem Autoverkehr gewidmet ist, und im Inneren müsse man sich sogleich in die Aufzüge begeben, um irgendwohin zu gelangen. […] Der öffentliche Raum wird ganz und gar der Fortbewegung untergeordnet, er hat jedes eigene Gewicht verloren.“

(Günzel 209)

Ein öffentlicher Raum ohne eigenes Gewicht stellt Betrachtende vor die Problematik der Nutzung des Raums auf den beiden eingangs etablierten Achsen der Vertikalität und der Horizontalität. Aus diesen Spannungsfeldern ergibt sich eine zutiefst visuelle Darstellung des Raums in Gotham durch Tim Burton, wie sie Günzel schon für die Entwicklung des Renaissancetheaters beschreibt. Welche Interpretationen sich für Batman (1989) daraus ableiten lassen wird sich in einer Analyse unter den erläuterten Gesichtspunkten des spatial turns zeigen. Mit dem Blick auf Achsen der Handlung und die allgemeine Inszenierung der Stadt Gotham als Aktionsraum wird eine Hierarchisierung des Wettstreits des Helden und des Bösewichts auf visueller Ebene inszeniert.

Inszenierung Gothams

„Bei der Arbeit an Gotham City haben wir uns Fotografien von New York als Vorlage genommen. […] Wir wollten ein stark stilisiertes New York zeigen, das über den gegenwärtigen Zustand hinausgewuchert ist. Alles sollte düsterer und enger werden, und deshalb entschieden wir uns dafür, in die Vertikale zu bauen und den comichaften Eindruck zu verstärken. Das Ganze erinnerte an eine Opernkulisse und war irgendwie zeitlos, wie bei BEETLEJUICE.“

(Salisbury, Tim Burton: Der melancholische Magier)

Tim Burton beschreibt hier die Zusammenarbeit mit seinem Setdesigner Anton Furst am Film Batman (1989) und erläutert die Intention der Architektur des Handlungsraums mit dem Vergleich zu New York, das als Manifestation von Gotham in der realen Welt gilt. Schon hier zeigen sich einige Leitlinie des fiktionalen Raums der Stadt, die sich bei genauer Betrachtung bestätigen. Die Inspiration durch die Häuserschluchten New Yorks ist nahezu offensichtlich und die Stilisierung des Zustands der 80er Jahre ist Teil der einzelnen Stilelemente. Schon im establishing shot sehen wir eine Totale auf die Skyline Gothams (Batman, 2:30). Analogien zu Fritz Langs Metropolis (1927) werden durch Züge, die über Brücken fahren und nahezu aufeinander gestapelten Hochhäuser evoziert. Die farbliche Tonalität aus dunklen Bilder mit vereinzelten Lichtern bestimmt den Film auch in den weiteren Szenen. In der zweiten Einstellung kommt neben den genannten Aspekten die Achsensymmetrie der Einstellung zur Geltung und betont durch den Kontrast die asymmetrischen Elemente im Baustil Gothams. Auch die bereits erwähnten charakteristischen Brücken aus Metropolis verknüpfen den Film Ender de 80er mit dem Scifi-Kino Langs und stellen darüber hinaus einen Bezug zur Vorstellung der Stadt als Moloch ohne Ende dar. Mit der Perspektive auf die Straße hin zum Fluchtpunkt der horizontalen Bildachse wird die Größe dieses Ortes inszeniert. Eine ungezügelt gewachsene Version New Yorks mit dampfenden Kanaldeckeln, gelben Taxis, unzähligen Ampeln und ständiger Präsenz der Polizeisirenen. Dunkle und nasse Straßen werden von artifiziellem Licht nur spärlich beleuchtet (2:40). In der Folgeeinstellung fährt die Kamera mit einem Dolly auf der horizontalen Ebene an einem belebten Platz der Stadt entlang und wir sehen Obdachlose, junge Leute, die im Stil der Goth-Bewegung gekleidet sind sowie Prostituierte und Biker an einem viel befahrenen Platz vor dem Kino Gothams (2:45). Neben all diesen Menschen wird im Verlauf des Films auch immer wieder Müll in Szene gesetzt, der sich in den Seitengassen auftürmt und das Stadtbild prägt (z.B. 3:48; 1:07:00; 1:09:00).

Die Architektur der Stadt lässt sich in drei Stilrichtungen einfangen: Zu einem geringen Teil werden Art Déco Elemente eingebaut, wie beispielsweise die Atlas-Statuen (12:55) vor dem Rathaus. Auch die Anleihen der Industriearchitektur des 20. Jahrhunderts durch hohe Schornsteine sind zentral für die Genese von Fursts Gotham. Am entschiedensten schlägt sich jedoch der gotische Baustil im Stadtbild nieder. Alexander Fitch schreibt in seinem Aufsatz Gotham City and the Gothic literary and architectural traditions: „Furst’s designs for the 1989 film brought a distinct gothic sensibility to the fictional architecture” (Fitch). Wichtig ist dieser Stil insbesondere für die Interpretation der Kathedrale die als zentraler Ort des Finales die Verbindung zwischen der Bevölkerung am Boden der Stadt und der Übermacht Batmans und des Jokers symbolisiert. An ihr wird deutlich, dass Übernatürliches schon lange in der Stadt Platz hat, da der Turm der Kathedrale mit mytisch anmutenden Wasserspeiern gesäumt ist. Andreas Rauscher schreibt hierzu in Koebners Reclam Ausgabe zum Filmgenre Science Fiction über Gotham zusammenfassend: „In postmoderner Stilkombination fügen sich unterschiedliche architektonische Stile vom Futurismus bis hin zum Art Déco zu einem gewaltigen, in den folgenden Filmen ständig erweiterten und abgeänderten Stadtbild. Doch in den ersten beiden Teilen besitzt dieses Patchwork wenig Spielerisches, sondern verstärkt vielmehr den klaustrophobischen Gesamteindruck und spiegelt die emotionalen Zustände der Hauptfiguren wider.“ Fitch beobachtet ähnliches bei der Betrachtung der bereits genannten Wasserspeier (Vgl. Fitch).

Hoch und runter: Die Vertikalität

All diese Elemente verweisen jedoch in erster Linie auf die zentrale Inszenierungspraktik des Raums: die Hierarchisierung der Macht durch den vertikal inszenierten Raum der Stadt Gotham. Die ersten Bilder des Protagonisten Batman sind eine Vogelperspektive auf einen Turm mit den erwähnten architektonischen Stilelementen, in der Batman wie die Wasserspeier über Gotham wacht (4:33). Auch beim folgenden ersten Action Moment des Films lässt sich Batman entlang der vertikalen Bildachse von oben nach unten vom Gebäude auf das Dach herunter. Beim Gegenspieler Jack, der im Verlauf des Films zum Joker wird, ist das Zimmer mit langen hohen Statuen und Bildern von Frauen dekoriert, sodass die Vertikalität hier mit dem Frauenbild von Jack parallelisiert wird (7:57). Auch das Bürogebäude Grishams wird von unten nach oben inszeniert, um die Macht Grishams über die einfache Bevölkerung Gothams und seiner Stellung über ihnen zu zeigen (14:45). Diese aufsteigenden Bewegung der Kamera wird in einigen Szenen auch von den Figuren im Film selbst ausgeführt, indem sie Treppen hoch gehen, sobald sie einen Machtvorsprung gegenüber ihren Widersachern oder Opfern errungen haben. Dies geschieht beispielsweise als der Joker die Treppen beim Treffen mit der Rteporterin Vicki Vale entlang hoch tanzt (35:00) oder besonders prägnant beim Endkampf, wenn Joker und Batman den Glockenturm emporsteigen.

Burton spielt neben dieser vertikalen Inszenierung der Macht auch mit der Erwartung die sich aus ihr ergibt als er Alfred und Bruce im Gespräch miteinander auf unterschiedlichen Ebenen platziert und dazu noch mit einer Unschärfe in die Unentschlossenheit in Bruce der Funktion des moralischen Kompass durch Alfred gegenüberstellt. Am deutlichsten zeigt sich diese bewusst gewählte Inszenierungsstrategie in den letzten Szenen des Films. Hier wird Raum und Positionierung der Figuren darin entscheidend für die Bildsprache Burtons. Bei der Parade des Jokers steht dieser über ihnen und trägt eine Krone, wodurch er sich über die Bevölkerung stellt und über ihr Schicksal entscheidet. Selbst als er seinen Wagen verlässt tritt er nicht direkt auf die Straße, sondern auf die herumstehenden Autos. Auch das Geld, dass in der Masse verteilt wird rieselt von oben nach unten auf die Bewohner Gothams herab. Assoziationen zu Begriffen wie der trickle down economy, bei der die unteren Klassen vom Erfolg der oberen profitieren sollen, sind angesichts des Höhepunkts der Macht des Jokers keinesfalls abwegig und zeigen wie sehr Burton es weiß Bedeutung in Bildern zu verbauen. Hinzu kommen die riesigen Jokerballons, die mit Giftgas gefüllt sind. Sie nehmen extrem viel Raum über den Straßen der Stadt ein, der allein ihnen vorbehalten ist (1:36:00). Der Raum als Allegorie auf die Macht zeigt sich auch durch die Gefahr des Gases, dass aus den Ballons tritt (1:40:00). Erst als Batman in die Vertikale fliegt und die Ballons über der Stadt zum Platzen bringt ist die Gefahr und der Einfluss des Jokers vernichtet.

Ein Journalist im Film beschreibt diese Szene mit den Worten “Gothams Gier” (1:37:15) woraufhin wir Batman sehen, der über dieser Gier zu stehen bzw. zu fliegen scheint. Damit zeigt sich: die wirkliche höhere Position ist ein Vorteil. Militärstrategisch würde man hier von highground sprechen den Batman über den Joker gewinnt. Die horizontal flüchtenden Menschen und der die Straße entlang rutschende Batman in seinem Flugzeug etablieren, dass horizontale Bewegungen für Machtverlust und ausweichen stehen können. Joker schießt ihn ab und er ist auf der profanen Ebene der allgemeinen Bevölkerung angekommen, wo er an den Kirchenstufen der Kathedrale zum Stillstand kommt. Im anschließenden Endkampf wird die Höhe des Glockenturms sowie die Kraft des Falls und damit sowohl die dramatische als auch die tatsächliche filmimmanente Fallhöhe durch Vogelperspektiven den Glockenturm hinunter gezeigt. Erst fällt ein Schuh hinab, dann schließlich die Glocke und am Ende des Finales droht der Fall der Protagonisten in den Tod. In den Kämpfen im oberen Teil des Glockenturms zeigt sich, dass Batman die Vertikalität nutzt, um anzugreifen und auszuweichen. Seine Gegner können ihm kaum Einhalt gebieten. Auch das Ende nach dem vertikal inszenierten Tod des Jokers wird zum Abschluss eine Kamerafahrt durch die Häuserschluchten hoch zu Batman gezeigt, an deren Ende Batman über den Fassaden der Stadt triumphiert und wie zu beginn des Films über diese wacht. Sein Symbol am Himmel weist darauf hin, dass er nun als Schutzpatron im Schatten der Stadt über sie wacht.

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