Frühe Tonbilder in der Brotfabrik


Am 21.12.2014 fand der 3. Kurzfilmtag statt. Das Kino in der Brotfabrik zeigte seltene Raritäten aus der Sammlung des Deutschen Filminstituts – DIF e.V.

 

I

Für den kürzesten Tag des Jahres rief die AG Kurzfilm zum dritten Mal zum Kurzfilmtag auf. Kinos, Vereine, aber auch Privatpersonen konnten sich anmelden und ein Kurzfilmprogramm kuratieren – vom Kindergarten, über den traditionellen Abspielort Kino bis hin zum Wohnzimmer – die Idee ist offen für die verschiedensten Kinoformen. Das Kino in der Brotfabrik beteiligt sich ebenfalls wieder mit einem Programm für Kinder und im Anschluss eine ganz besondere Auswahl an Filmen: die „Frühen Tonbilder. Revueszenen, Opernarien, schelmische Lieder aus den Jahren 1907-1909“ aus der Sammlung des Deutschen Filminstituts in Frankfurt.

 

II

Tonbilder oder Tonbildfilme sind kurze Filme, die im Playback-Verfahren gedreht wurden. Es zwei-drei minütige Filme, die in einem Studio zu laufenden Schellackplatten sozusagen synchron gedreht wurden. Die Schauspieler haben also versucht, die Musik mitzusingen oder den Text mitzusprechen. Während der Kinovorstellung ließ man dann wieder, parallel und synchron zum Filmbild auf der Leinwand, das Grammophon im Kinosaal laufen – und so erweckte man den Anschein eines echten Tonfilms.

Inhaltlich handelte es sich meist um leichte Unterhaltung, zum Beispiel die einfache Bebilderung eines beliebten Musikstücks. Anna Müller-Lincke und Leonhard Haskel sind hier sicher das bekannteste und eines der beliebtesten Darstellerpaare. Man könnte sagen, dass es sich hier um eine Vorform des Musikvideos handelt.

 

III

Es gab bereits seit den Anfängen des Kinos immer Ton, der das Bild bzw. die Handlung dramatisch unterstützte – ob romantisch, bedrohlich oder heiter – mit ganzem Orchester oder einzeln am Klavier, häufig wurden Filmerzähler engagiert, die die Handlung kommentierten.

Autor und Filmkritiker Kurt Pinthus schrieb im Vorwort zu seinem „Kinobuch“, das 1914 zum ersten Mal erschien von einem ganz besonderen Kino-Erlebnis:

 

„Unter der Führung der in mehrfacher Bedeutung gewaltigen Gestalt des zeusköpfig haar- und bartumwallten Dichters Theodor Däubler fuhren Franz Werfel, Walter Hasenclever, Albert Ehrenstein, Paul Zech, Else Lasker-Schüler, ich und einige mehr, ohne dass irgend etwas Besonderes dorthin lockte, nach Dessau, wo wir, durch die Straßen streifend, entdeckten, dass in einem jener kleinen Kinos, sie man damals Ladenkinos, Flohkisten oder Schlauchkinos nannte die Verfilmung eines bei Rowohlt erschienenen Romans von Otto Pietsch „Das Abenteuer der Lady Glane“ gezeigt wurde. Es war ein kurzer, billig und schlecht hergestellter Streifen; aber wir gewahrten hier eine Besonderheit, die wir für längst ausgestorben hielten: das kümmerlich untermalende Klaviergeklimper wurde durch die Stimme eines im prächtigsten Sächsisch die Handlung kommentierenden Erklärers übertönt… Mehr noch: der Mann hielt einen Zeigestock in der Hand, mit dem er gegen die Leinwand hin auf den Gang der Personen und der Ereignisse wies. Dieses kuriose Erlebnis verursachte lange und weitgreifende Diskussionen über den falschen Ehrgeiz des damaligen jungen Stummfilms, das ans Wort und die statische Bühne gebundene Theaterdrama oder den mit dem Wort schildernden Roman nachahmen zu wollen, statt die neuen, unendlichen Möglichkeiten der nur dem Film eigenen Technik sich bewegender Bilder zu nützen…“

 

(Auszug aus: Das Kinobuch, hrsg und eingeleitet von Kurt Pinthus mit Kinostücken von Max Brod, Albert Ehrenstein, Walter Hasenclever, Arnold Höllriegel, Else Lasker-Schüler u.a. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1983 (Erstausgabe: Leipzig 1913/14), S. 9/10)

 

So konnte der Kino, wie es zu dieser Zeit hieß, damals erlebt und wahrgenommen werden. Die Zuschauer wollten aber natürlich gerne mehr als Untermalung, wollten gerne hören, was gesungen wird, wenn der Sänger auf der Leinwand seinen Mund bewegte – und zwar zeitgleich zum Bildablauf. Erste Entwicklungen habe es schon in den 1890er Jahren: In den USA entwickelte Edisons Chefingenieur William Dickson den Kinetographen mit dem Phonographen – oft konnte aber das synchrone Abspielen der Platten zum Film nicht gewährleistet werden. Zur etwa gleichen Zeit arbeitet Gaumont an ähnlichen Entwicklungen in Frankreich.

In Deutschland begann um 1900 Oskar Messter mit der Entwicklung, Patentierung und Vermarktung jeweils eigner Synchronton-Verfahren. Messter war wohl der bekannteste Filmpionier in Deutschland und eröffnete schon 1896 in der Berliner Friedrichstraße das erste deutsche Kunstlichtatelier. 1903 wurde in Deutschland durch ihn auch das sogenannte Tonbild letztendlich eingeführt. Er nannte sein System Biophon – er hat den Filmprojektor und das Grammophon gekoppelt und gleichzeitig den Projektor motorisiert (der vorher handbetrieben wurde), damit ein synchrones Abspielen gewährleistet war.

Die Tonbilder, die zwischen 1907 und 1909 entstanden, waren folglich eine audiovisuelle Sensation. Es entstanden sogar eigene Kinos für die populären Tonbilder, endlich konnte man Musik einfach so hören, Theater war häufig zu teuer, Radio gab es noch nicht, Kino mit Musik und Ton generell war deshalb sehr beliebt – auch deshalb wurden diese schnell und zahlreich hergestellt. Dank der Tonbilder konnte man sich nun die neuesten Gassenhauer und seine Lieblingsarien im Filmtheater ansehen. Noch vor Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 endete die kurze Ära des Tonbilds in Deutschland, man ging über zu längeren Stummfilm-Spielfilmen, in Deutschland liefen zahlreiche Krimireihen, neben den bekannten expressionistischen Werken.

Der erste abendfüllende Spieltonfilm war 1927 der amerikanische Film „The Jazz Singer“, dem später in „Singin in the Rain“ als Tonsensation gehuldigt wird. Bis ca. 1936 wurde der Stummfilm bzw. der musikbegleitete Film weitgehend durch den Tonfilm abgelöst.

 

IV

Die 14 Tonbilder, die in der Brotfabrik gezeigt wurden, stammen alle aus dem Bestand des Deutschen Filminstituts in Frankfurt (Sammlung Neumayer). 2013 wurden die Bilder digitalisiert. Der Ton, der nachrecherchiert und mit den Filmbildern digital gekoppelt wurde, stammt aus dem Bestand des Deutschen Musikarchivs in Leipzig. Bei einigen Filmen ist unklar, ob der Ton tatsächlich passt. Alle diese Musikfilme sind Produktionen der Firmen Deutsche Bioscop GmbH, Alfred Duskes und Deutsche Mutoscop und Biograph GmbH.

 

 

Weitere Informationen zu den einzelnen Tonbildern dieses Kurzfilmprogramms finden Sie hier (Link zum pdf des DIF)


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