Gestern war Abschluss des Wettbewerbs und gleichzeitig neigt sich das Festival ganz dem Ende zu. Die ersten Preise sind schon vergeben und in ein paar Stunden ist dann auch bekannt, wer das Rennen gemacht hat um die diesjährigen Bärentrophäen.
Elle s’en va, der als letzter Beitrag vorgestellt wurde, wird es mit 100%-iger Sicherheit nicht werden. Catherine Deneuve ist darin eine Frau Ende 50, die mit ihrem jetzigen Leben nicht zufrieden ist (so was hatten wir bereits, z.B. in „Gloria“). Ohne Ehemann dafür aber gestresst vom Job und gestresst von der bemutternden Mutter, die ihr verbietet zu rauchen steigt sie ins Auto, um Zigaretten zu besorgen. Doch wie das Leben so spielt, ereignen sich auf dem länger und länger werden Weg viele Zufälle und Erlebnisse, die ihr schlussendlich neuen Mut, neue Lebensenergie und neues Glück bringen (so was hatten wir bereits).
Bei „Gloria“ und „Child’s Pose“ hat man sich gewundert, warum einen diese großartigen Filme begeistern, zumindest aber faszinieren können, wo man doch eigentlich nicht so richtig zur Zielgruppe gehört bei Filmen über starke Frauen über 50, die ihr Leben ordnen (s. a.: -> Leitmotiv der 63. Berlinale). Bei Elle s’en va denkt man sich nach 10 Minuten, dass man eigentlich nicht so richtig zur Zielgruppe gehört, denn Catherine Deneuve als starke Frau über 50, die ihr Leben ordnet, ist völlig uninteressant, langweilig und der Film völlig redundant. Catherine Deneuve alias Betty (starke Frau usw.) war früher mal Miss Bretagne und richtig schön. Heute muss sie sich von ihrem jugendlichen Liebhaber fragen lassen, warum sie eigentlich noch nicht in Rente sei und sie muss sich von ihrem verzogenen Enkel an den Kopf werfen lassen: „Du bist ja eh schon 75 oder so was“ und ein Modefotograf weist sie darauf hin, bitte den Kopf anzuheben, wegen des Doppelkinns. Außerdem will ihre Tochter nichts mehr von ihr wissen, obwohl Betty es sich so sehr wünscht (so was hatten wir übrigens bereits). Das alles nagt an Betty und deswegen stellt sie sich in den Regen und verdrückt ein paar Krokodilstränen, bevor sie ins Auto steigt, um einfach abzuhauen. Ohne etwas zu verraten, was nach 10 Minuten nicht ohnehin klar wäre: Am Ende wird alles gut und die Sonne schimmert wärmend durch die Kastanienblätter.
Achso, Männer kommen auch vor in diesem Film. Die sehen alle gut aus, sitzen mit Baskenmütze vor schönen französischen Steinhäusern unter einem Baum und trinken Rotwein bzw. spielen Akkordeon (s.a.: -> Camembert-Werbung).
Nein, das war überhaupt nichts. Jens Balzer schrieb im Zusammenhang mit einem anderen ebenfalls unmöglichen Wettbewerbsfilm von Divenvehikel für Juliette Binoche. Same here – nur eben für Catherine Deneuve.
Es war der letzte Beitrag im Wettbewerb und das ist auch gut so. Es reicht jetzt dann allmählich. Elle s’en va hat im Wettbewerb der 63. Internationalen Filmfestspiele nichts verloren, er hat eigentlich auf einem solchen A-Festival, das nach Eigendefinition das Filmfenster zur Welt öffnen möchte und Diskurse und Diskussionen anregen will, generell nichts verloren. Ein netter Film fürs Sommerkino war das. Den kann man dann überschreiben mit “ ’Eine lebensbejahende Tragikkomödie aus Frankreich mit einer nach wie vor bezaubernden Catherine Deneuve’ (Bild der Frau)“.
Die Berlinale sollte ein bisschen schauen, dass sie die Filmkunst nicht zu stark ihren selbst auferlegten Leitlinien wie der filmischen Thematisierung und Verarbeitung von Emanzipation oder Homosexualität unterordnet, denn dann hätten sich z.B. Filme wie Elle s’en va oder Camille Claudine 1915 fürs Festivalprogramm erledigt. Man darf gespannt sein auf die Berichterstattung – die ohnehin (über)kritische Filmpresse rund um die Berlinale wird schon längst die Messer wetzen. Der ganze Wettbewerb war im Schnitt eher mau. Viele Filme, die „ok“ waren, auch irgendwie interessant, aber nicht herausragend, keine Highlights eben, von Meisterwerken ganz zu schweigen.
Zum Abschluss und kurz vor der Bärenverleihung nun noch das offizielle Fazit der Highnoonjury in Form eines Bärometers in Anlehnung an die täglichen Rankings des Tagesspiegels und der Berliner Zeitung. Um in diesen schweren Zeiten nicht in eine Plagiatsaffäre verwickelt zu werden, werden die Filme nicht alphabetisch und auch nicht nach Starttag aufgeführt sondern gleich schön gerankt:
Legende: **** herausragend *** gut ** annehmbar * schlecht X durchgefallen
Elle s’en va: XX
Vic + Flo haben einen Bären gesehen: X
Camille Claudine 1915: X
The Necessary Death of Charlie Countryman: *
Promised Land: *
Gold: **
Side Effects: **
Layla Fourie: **
A Long and Happy Life: ***
An Episode in the Life of an Iron Picker: ***
Harmony Lessons: ***
Prince Avalanche: ***
In the Name of…: ***
La Religieuse: ***
Child’s Pose: ***
Nobody’s Daughter Haewon….: ***
Paradies: Hoffnung: ****
Pardé: ****
Gloria: ****