Booksmart – neoliberale Identitätspolitik


Autor: Robin Pfefferle

Booksmart ist das Spielfilmregiedebüt von Olivia Wilde. Die Teenie-Komödie um die beiden Freundinnen Molly und Amy handelt von zwei selbsternannten Streberinnen, die an ihrem letzten Schultag zu der Einsicht kommen, ihre Zeit an der Highschool zu sehr mit Lernen vergeudet zu haben. In der Nacht vor der Abschlussfeier wollen sie nun einiges nachholen. Der Film hat eine sehr konventionelle Handlung, welche sich an anderen Highschool-Komödien wie American Pie oder Super Bad orientiert. Im Gegensatz zu diesen gibt sich Booksmart jedoch als sehr divers und LGBTQ-freundlich, was aufgrund der beiden weiblichen Hauptfiguren und des offenen Umgangs mit Homosexualität im ersten Moment auch plausibel erscheinen mag. Von Teilen der Presse wird dieser Film daher als sehr fortschrittlich und innovativ gefeiert. Bei näherer Betrachtung offenbart sich dahinter allerdings eine sehr fragwürdige Ideologie.

Zum Plot: Molly und Amy haben ihr gesamtes bisheriges Leben der Highschool gewidmet, mit dem Ziel auf einer Eliteuniversität aufgenommen zu werden. Statt zu feiern und Spaß zu haben, hatte das Lernen für Klausuren die oberste Priorität. Als Molly dann aber erfährt, dass ihre Mitschüler*innen trotz exzessiver Partynächte ebenso Plätze in den bedeutendsten Colleges der USA ergattern konnten, stellen die beiden ihre Freizeitgestaltung der vergangenen Jahre in Frage. Und hier offenbart sich die neoliberale Ideologie des Films. Statt generell diese Mentalität, bei der alles der Leistungsfähigkeit und damit der vorherrschenden wirtschaftsliberalen Politik und dem Kapitalismus untergeordnet wird, zu hinterfragen, kommen die beiden Schülerinnen auf eine andere Schlussfolgerung. Natürlich dürfen die guten Noten und die maximale Leistungsfähigkeit nicht gefährdet werden. Aber wenn beides möglich ist, Eliteuni und durchzechte Nächte, dann sollte man diese Möglichkeiten selbstverständlich auch ausschöpfen, ganz nach dem Motto: „Work Hard-Play Hard“.

Im Film, der ausschließlich in einem bürgerlich-liberalen Umfeld spielt, gibt es offensichtlich keinen Platz für Kritik an strukturellen Problemen. Alle Schüler, ohne Ausnahme, scheinen aus einem finanzkräftigen Elternhaus zu kommen. Der Film zeichnet das Bild einer annähernd perfekten Gesellschaft, in der Ausgrenzungen scheinbar nur selbstverschuldet zustande kommen.

An einem Zeitpunkt im Film allerdings veranstaltet ein Mitschüler der beiden Protagonistinnen, der noch reicher ist als der, ohnehin schon wohlhabende Rest, eine Party auf einer Yacht mit Kellnern, Sicherheitspersonal und allem was man als Mitglied der High Society eben so braucht. Außer Molly und Amy ist jedoch niemand weiteres der Einladung gefolgt und auch die beiden sind nur mehr oder weniger freiwillig dort. Sie werfen ihm daraufhin vor, dass er sich eben keine Freunde kaufen kann, und nur die inneren Werte zählen. Dies erscheint mehr als nur skurril, da die Kritik von zwei selbst sehr privilegierten Personen vorgetragen wird. Der Film verkennt dabei zudem die Realität, in der Geld oftmals eben doch die Gesellschaft bestimmt und der Charakter nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Die moralische Integrität der beiden Protagonistinnen steht aber natürlich außer Frage. Amy ist nicht nur klug, divers und perfekt in die Leistungsgesellschaft integriert, sie engagiert sich zudem noch sozial. Nach der Highschool will sie nämlich erstmal nach Botswana fliegen, um den Menschen vor Ort ehrenamtlich zu helfen. Auch das hört sich erst einmal toll an: Den Charakteren im Film geht es wirtschaftlich ausgezeichnet und sie leben in einer offenen und toleranten Gesellschaft. Zusätzlich sind sie auch noch bereit anderen Menschen, die in ärmeren Verhältnissen leben, zu unterstützen. Dabei bleibt aber ein wichtiger Punkt außen vor. Ist das System, in dem wir leben, nicht ein Hauptgrund für die Verhältnisse in der dritten Welt? Begründet sich unser Wohlstand, wie auch der Wohlstand der Charaktere in Booksmart, nicht ebenfalls auf der Ausbeutung genau der Menschen, denen Amy helfen will? Diese Handlungsweisen, die teilweise an den Ablasshandel erinnern, sind auch in der Realität zu erleben. Um das eigene Verhalten zu rechtfertigen wird Geld oder Arbeitskraft in soziale Projekte investiert, wie z.B. bei der Freiwilligenarbeit in Entwicklungsländern oder der CO²-Kompensation von Flugreisen. Leider werden dadurch jedoch nur die Symptome und nicht die Ursachen behandelt. Eine Kritik an den Ursachen wiederum, d.h. eine Kritik am System, das diese Ungerechtigkeiten produziert, will der Film aber nicht leisten. Dieses unkritisch positive Bild der westlichen Welt verdeutlicht sich in einer weiteren Szene. Während eines Gesprächs verwechselt eine Mitschülerin Botswana mit Uganda, woraufhin Amy erklärt, dass sie nicht nach Uganda gehe, da dort Homosexuelle verfolgt werden. Dass auch in den USA große Teile der Bevölkerung LGBTQ-feindliche Einstellungen besitzen, wird, wie so vieles, nicht angesprochen.

In Booksmart manifestiert sich die in der westlichen Welt vorherrschende inhumane neoliberale Ideologie. Gerechtfertigt wird diese mit angeblicher Diversität und Toleranz, sowie selbstloser Symptombehandlung. Natürlich muss es als positive Entwicklung angesehen werden, dass weibliche Hauptfiguren und Homosexualität in Filmen wie auch in der Gesellschaft immer mehr zur Normalität dazugehören. Jedoch sollten dabei andere tiefgreifende Problematiken nicht kaschiert werden. Leider verhält sich der Film wie die aktuelle neoliberale Politik: Vielfalt predigen – Ausgrenzung fördern.

Autor: Robin Pfefferle


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