Berührend und auf den Punkt – Theresa von Eltz’ Jugenddrama “4 Könige”


“Was vermisst du an Weihnachten zuhause?”

“Eigentlich nichts.”

Diese Frage stellt Fedja Lara, während er sie mit einer Videokamera filmt – eine therapeutische Maßnahme, die der Doktor euphemistisch als “Wichteln” bezeichnet. Die beiden sind in einer Psychiatrie, zusammen mit Timo und Alex müssen sie hier Weihnachten verbringen – eine Ausnahme, weil sie sich in einer “besonderen Situation” befinden.

Die vier sind grundverschieden, und ergänzen sich dabei ziemlich gut. Da ist Lara (Jella Haase, die nach ihrer Rolle in “Fack ju Göhte” zeigt, dass sie mehr als nur “Chantal” kann), die vorlaut, frech, und definitiv nicht schüchtern ist und so die anderen aus ihrer Reserve lockt. Alex und Fedja, die beide zu Beginn nicht einmal reden. Und Timo, der “Kriminelle” unter ihnen, der Aggressive – der, der eigentlich eher in der “geschlossenen” sein sollte.

Dass er stattdessen bei Lara, Alex und Fedja ist, hat er Dr. Wolf zu verdanken, der an alternative Therapien glaubt und sich für weniger Regeln und mehr Freiraum einsetzt. Zu Beginn, als er Lara nach ihrem Wohlbefinden fragt, während sie ihm Kaugummi kauend gegenübersitzt, denkt man noch, er sei arrogant. Aber bald stellt sich heraus, dass er auf der Seite der Jugendlichen ist. Er mischt sich unter sie, spaziert mit ihnen durch den Wald und an den See und schafft es dabei, seine eigentliche Rolle – die des Therapeuten – verblassen zu lassen. Er stellt sich nicht über sie, spielt nicht den “Gesunden” inmitten von Kranken. Er hebt nicht den Zeigefinger, sondern wartet geduldig darauf, dass die vier von sich aus den nächsten Schritt gehen. Bemerkenswert ist auch sein Umgang mit Timo, der seine Wut nicht unter Kontrolle hat und dadurch unberechenbar ist. Dr. Wolf weicht nicht zurück, wenn Timo ihm zu nahe kommt und findet klare, aber ehrliche Worte für ihn.

In einer der stärksten Szenen rennt er mit Alex durch den Wald und animiert sie dazu, ihre Gefühle rauszulassen, ihren Frust, der sich so sehr aufgestaut hat, dass sie ihn nicht mehr in Worte fassen kann. “Du nervst!”, schreit er – “Du nervst!”, erwidert sie mit aller Kraft, mit zitternder, aber bestimmter Stimme. Alex erkennt, dass dieser Mensch ihr helfen will, und sie lässt es endlich zu. Weil er mit ihr leidet, statt sie von außen zu bemitleiden.

Viel erfahren wir über die vier Protagonisten nicht. Nur vage können wir erahnen, aus welchem Grund sie in der Psychiatrie sind, Details gibt der Film uns keine. Das funktioniert erstaunlich gut, denn im Grunde geht es um vier Jugendliche, denen es schlecht geht – warum ist erst einmal egal und eigentlich auch austauschbar. Wie ihnen geht es vielen und da braucht es keine rechtfertigenden Gründe. Der Film legt seinen Fokus auf die Therapie, nachdem der Schaden schon entstanden ist. Und er plädiert für einen anderen Umgang mit psychisch Kranken, einen menschlicheren, einen auf einer Augenhöhe.

Interessanterweise ist es genau die Mitarbeiterin, die sich gegen Timos Anwesenheit ausspricht und Dr. Wolfs Therapiemaßnahmen anprangert, die Lara nicht sagen kann, was sie in ihrer Freizeit gerne macht und weshalb sie Weihnachten nicht zuhause verbringt. “Ich bin am liebsten hier”, sagt sie und etwas in ihren Augen verrät, dass das die traurige Wahrheit ist. Und paradoxerweise ist es ausgerechnet die Putzfrau, die von Lara mit ihrer Kamera in den Klokabinen aufgesucht wird, die sich am meisten auf ihre Familie und Freunde zuhause freut, die nicht aufhören kann, zu kichern.

Bei einem Film dieser Thematik hätte man vieles falsch machen können – die Charaktere übereilig übereinander herfallen lassen, deren Freundschaft überzeichnen und dem Kitsch zum Opfer fallen. Das ist Regisseurin Theresa von Eltz mit 4 Könige nicht passiert. Mit kurzen, prägnanten Szenen, wenig Worten und hervorragender Schauspielkunst hat sie  –  so kitschig, wie das wiederum klingen mag – alles richtig gemacht.

 

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