Berlinale Tag 5


Demons © 13 Little Pictures

Langsam geht die Berlinale zu Ende und ich sitze mit einem lachendem und einem weinenden Auge an meinem letzten Tag in Berlin zum letzten Mal im Schreibraum des Pressezentrums, um meinen vorletzten Tag für euch aufzuarbeiten. Zwar ist es schon schade, dass meine Woche bei der Berlinale schon wieder zu Ende geht, andererseits bin ich aber auch froh, dass ich nach einer Woche, die ich praktisch nur im Kino verbracht habe (mit dem heutigen letzten Tag werden es dann 23 Filme in sechs Tagen gewesen sein, näheres dazu nochmal morgen), meine Augen mal wieder etwas entspannen kann. Hinzu kommt der wunderschöne Sonnenschein, der auch eher zum Draußensitzen verleitet als zum Kinogang.
Wie bereits vorgestern, habe ich auch gestern mit Paul in seinem Podcast gesprochen. In der aktuellen Folge habe ich mich mit ihm über die zwei ersten Filmen, die ich am gestrigen Tage gesehen habe unterhalten, die ich deswegen hier nur noch kurz erwähnen möchte. Beide Filme liefen in der Generation 14plus, richteten sich also vor allem an ein junges Publikum. Im ersten Film The Crossing erzählt die chinesisches Regisseurin Bai Xue die Geschicht eines sechszehnjährigen Mädchens, die in Shenzen gegenüber Hongkongs wohnt, aber in der Metropole mit Sonderstatus zur Schule geht. Diesen Umstand macht sie sich zunutze, um zur Aufbesserung ihrer Urlaubskasse iPhones von Hongkong aufs chinesesische Festland zu schmuggeln. Der zweite Film We are little Zombies (bei dem sich der Regisseur Makota Nagahisa vor dem Film dafür entschuldigte, dass es keine echten Zombies gäbe) handelt von der gleichnamigen Band, die aus vier Kindern besteht, die vor kurzem ihre Eltern auf verschiedene Weise verloren haben und auf ihre jeweils eigene Weise mit diesem Verlust umgehen. Nagahisa feuert dabei ein zweistündiges Feuerwerk von Bildern und Musik ab und spricht eine Vielzahl von Themen an, die einen am Ende des Filmes erstmal schlucken lassen. Gleichzeitig unterläuft er gekonnt die Erwartungen der Zuschauer*innen an den Film und relativiert diese immer wieder. Weiteres über beide Filme könnt ihr in meinem Gespräch mit Paul anhören.

Demons (Forum, Singapur)
Als nächstes möchte ich mich dem Spielfilmdebüt Demons von Daniel Hui widmen, der durchaus kontroverse Reaktionen hervorgerufen hat, was nicht zuletzt dadurch verdeutlicht wurde, dass der Regisseur vor der Vorstellung das Publikum darum bat, dem Film eine Chance zu geben und bis zum Ende zu bleiben, was vermuten lässt, dass es in den anderen Vorstellungen schon beinahe einen Massenexodus gegeben hat. Auch ich war mir aufgrund der Warnungen, die mir im Vorfeld zugetragen wurden, nicht sicher, ob ich bis zum Ende bleiben würde, da ich gestern Nachmittag auch ziemlich müde war. Schlussendlich habe ich mich aber an die Empfehlung des Regisseurs gehalten und dem Film eine Chance gegeben und dieser hat mich dafür auch belohnt.
Hui versucht sich zusammen mit seiner Hauptdarstellerin Yang Yanxuan Vicki auf kunstvolle Weise einem schwierigen Thema zu nähern, nämlich dem Machtgefälle zwischen Männer und Frauen im Kunstbetrieb (aber nicht nur dort), das nicht selten zur Ausbeutung und zum Missbrauch letzterer führt. Dabei schafft er es – zumindest bei mir – von der ersten Szene an die Machtlosigkeit Vickis gegenüber dem Regisseur Daniel (die beiden Protagonisten des Films heißen nicht ganz zufällig genau so, wie der Regisseur und seine Hauptdarstellerin) mit einer erdrückenden Realität (wenn auch das was auf der Leinwand passiert nicht immer real ist) darzustellen. Diese Grundstimmung wird durch seine Wahl eines 4:3 Formates (siehe Bild) untermalt, das die Welt Vickis noch klaustrophobischer erscheinen lässt, als sie es ohnehin schon ist. Immer wieder durchbricht Hui dabei die Spannung seines Filmes mit absurd komischen Szenen, wie zum Beispiel jene, in der Vicki von Daniel einen Fisch geschenkt bekommt, den sie sich als Hut aufsetzen soll. Zugegebnermaßen könne diese Szenen ungewollt komisch wirken (wenn sie nach Aussage des Regisseurs auch komisch gemeint sein sollen), wenn man sich nicht auf die Stimmung des Filmes einlassen kann. Für mich haben diese Szenen aber die Aussage des Filmes weiter untermauert und verdeutlich wie groß die Macht ist, die die Männer im Film über diese Frau haben. Großartig schafft der Film es dann auch ungefähr zur Hälfte die Machtverhältnisse umzukehren, wenn Vicki sich nicht mehr mit ihrer Situation abfindet und beginnt sich zu wehren (wenn das im Film auch etwas abstrakter passiert als ich es hier schreibe). Dann sitzt Daniel plötzlich vor zwei Frauen, die in der Intendanz des Theaters arbeiten und im lang und breit aber vollkommen inhaltsleer erklären, wieso seine Theaterstücke in Zukunft nicht mehr von ihnen finanziert werden. Plötzlich wird Daniel der Teppich unter den Füßen gezogen und ihm das, was ihm seine Macht verleiht, nämlich die totale Kontrolle über alle Informationen, entrissen, so dass er plötzlich nur noch vollkommen konsterniert den beiden Frauen gegenübersitzt und nicht mehr weiß wo ihm der Kopf steht.
Am Ende bleibt natürlich nur wieder die Frage stehen, inwiefern ein Mann die Möglichkeit bzw. den notwendigen Abstraktionsgrad hat, um seine eigene Rolle zu reflektieren und sich in die Perspektive der unterdrückten Frauen zu versetzen (eine Frage, die sich mir auch bei Winding Refns Neon Demon gestellt hat, einem Film der mehr als nur die Dämonen im Titel mit Huis Film gemein hat). Dass sich Hui diese Frage selbst auch gestellt hat, wird schon durch die Wahl der Namen im Film deutlich und er selbst bestätigte mir nach dem Film, dass es während der gesamten Arbeit des Films seine größte Sorge gewesen sei, dieser Rolle nicht gerecht werden zu können. Der Film sei aber in enger Zusammenarbeit mit seiner Haupdarstellerin entstanden, die dabei auch ihre persönlichen Erlebnisse verarbeitet habe, so dass zumindest eine weibliche Perspektive in den Film eingeflossen ist.


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