Berlinale Tag 2


Gli ultimi a vederli viveri © Katharina Schelling

Mein Beitrag für meinen Tag 2 der Berlinale (Dienstag) kommt leicht verspätet, da ich gestern Nacht um 12 nach fünf Filmen keine Energie mehr hatte etwas darüber zu schreiben. Ich weiß auch noch nicht, ob ich es tatsächlich durchhalten werde jeden Tag etwas zu schreiben und auch heute werde ich nicht über jeden Film den ich gesehen habe ausführlich berichten. Über die Highlights und die größten Kontroversen möchte ich euch trotzdem unterrichten.
Unterdessen ist die Berlinale Welt gestern etwas in Aufruhr geraten, nachdem der chinesische Wettbewerbsbeitrag One Second des durchaus bekannten Regisseurs Zhang Yimou (u.a. Hero, House of Flying Daggers), der für sein Erstlingswerk Rotes Kornfeld 1988 auch schon einmal einen goldenen Bären gewann, kurzfristig aus dem Programm genommen wurde – laut Pressemeldung der Berlinale offiziell wegen “technischen Problemen bei der Post-Production”. Da der Film aber aus China stammt und während der chinesischen Kulturrevolution in den Jahren zwischen 1966 und 1976 spielt, die in China als heikles Thema gilt, wird in der Presse allenthalben darüber spekuliert, dass es sich tatsächlich um Zensur handelt.
So viel erstmal zum aktuellen Berlinale Gossip, jetzt aber zu den Filmen, die ich gestern gesehen habe.

Ich war zu Hause, aber… (Wettbewerb, Deutschland)
Los ging es direkt morgens um 9 Uhr mit der Pressevorstellung eines weiteren deutschen Wettbewerbsbeitrags von der Hamburg Filmprofessorin Angela Schanelec, die dafür bekannt ist Filme zu machen die, sagen wir es mal diplomatisch, für einen Großteil des Publikums nur schwer zugänglich sind. Und das ist auch bei ihrem neuesten Film nicht anders, der sich in beinahe wie ein Mittelfinger in Richtung der Kritiker*innen anfühlt, was auch dazu führte, dass die Pressevorstellung bereits nach der Hälfte der Laufzeit deutlich leerer geworden war. Bereits in der ersten Szene wird klar, wo man da rein geraten ist: ein Hund, ein Esel und ein Kaninchen streichen in minutenlangen Aufnahme durch die Gegend und es passiert erst mal nichts. Genau so geht es dann den ganzen Film über auch weiter, dessen Genuss schon eine gewisse Leidensfähigkeit notwendig macht. Ganz unbelohnt bleibt diese dann nicht, gerade wenn in der Mitte des Films die geniale Maren Eggert in eine Meta-Tirade über Schauspiel verfällt (Aussage: Schauspiel ist immer nur Lüge), wobei sie selbst von ihrem Kollegen dafür kritisiert wird, dass sie den Film über den sie spricht nicht vollständig gesehen hat – ob dieser Kommentar an die Kritiker*innen gerichtet ist die eben den Film, in dem dieses Gespräch stattfindet, bereits vor dieser Szene verlassen haben, sei dahin gestellt. Wie Schanelec über Kritik und Filmjournalismus denkt, wurde zumindest bei der Pressekonferenz nochmal klar, wo sie auf den Großteil der Fragen nicht einging (“Ich werde jetzt für Sie den Film nicht interpretieren”, “Ich bewege die Kamera immer nur dann, wenn es notwendig ist. Das ist eigentlich ganz einfach”).

Gli ultimi a viderli viveri (Forum, Italien)
Für mich scheint das bisherige Berlinale-Motto “Das Beste kommt zum Schluss” zu sein, denn wie bereits am Montag, war der letzte Film, den ich in der 22 Uhr Vorstellung gesehen habe, mit Abstand der beste des Tages. Der Beitrag der italienischen Regisseurin Sara Summa, die allerdings in Berlin studiert und auch fließend Deutsch spricht, läuft in der Sektion “Forum”, in der generell die positiv ausgedrückt ambitioniertesten (negativ ausgedrückt anstrengendsten) Filme des Festivals laufen. Mit seinen knackigen 79 Minuten Laufzeit, gehörte der Film aber definitiv nicht zur negativen Kategorie, so dass auch die späte Stunde nicht zum Einnicken führte, obwohl der Film durchaus langsam erzählt ist. Die Prämisse ist recht einfach und basiert auf einer wahren Geschichte, die sich im Jahre 1959 in Kansas abgespielt hat. Dort wurde eine vierköpfige Familie auf ihrer abgelegenen Farm von Einbrechern ermordet, ein Tatbestand, den Summa fiktionalisiert und ins ländliche Italien verlegt. Der Clou an der Geschichte ist dabei, dass sie uns gleich zu Anfang des Films wissen lässt, was am Ende des Tages den wir sehen mit den Menschen, die wir erst noch kennen lernen werden, geschehen wird: sie werden sterben. Dieses Wissen, dass wir den Protagonist*innen voraus haben, verändert natürlich unsere Wahrnehmung jeder Szene, womit Summa hervorragend spielt.
Der Rhythmus des Filmes wird dabei von gespenstischen Aufnahmen einer Landstraße bestimmt (die nebenbei an den berühmten Anfang von Kubricks The Shining erinnern), die immer wieder zwischengeschnitten werden und das ankommende Unheil verkörpern. Die Aufnahmen des süditalienischen Hinterlandes, ausgeführt von der österreichischen Kamerafrau Katharina Schelling, sind dabei teilweise betörend schön und erinnern an einen anderen italienischen Film jüngerer Zeit, den wir auch erst im Januar bei uns im aka gezeigt haben, nämlich Alice Rohrwachers Lazzaro Felice. Auf meine Nachfrage beim Q&A nach dem Film hin, bestätigte die Produzentin des Filmes Cecilia Trautvetter dann auch, dass der Film tatsächlich in der selben Gegend wie Rohrwachers Film gedreht wurde. Das ganze überraschenderweise tatsächlich digital, wie Katharina Schelling erklärte, wobei dem Bild nachträglich Filmkorn hinzugefügt wurde – mich konnten sie damit täuschen.

Anmerkung: In einer früheren Version des Artikels hieß es, Katharina Schelling käme aus Deutschland. Ich bitte den Fehler zu entschuldigen.

Lückenbüßer

  • The Souvenir (Joanna Hogg, Großbritannien): Lief hochgelobt vor ein paar Wochen in Sundance und wurde dort mit P.T. Andersons Phantom Thread verglichen, kann diesem Film aber bei weitem nicht das Wasser reichen. Die unsympathischen Charaktere (die auf dem Leben der Regisseurin basieren) haben mir den Zugang zum Film sehr schwer gemacht.
  • A Dog Barking at the Moon (Xiang Zi, China/Spanien): Äußerst ambitioniertes Erstlingswerk, das sich aber ein paar Themen (Zensur, Sekten, Homosexualität) zu viel vornimmt. Die anwesende Regisseurin betonte danach, dass der Film von höchster Relevanz für die aktuelle Situation in China sei, was zweifelsohne stimmt, allerdings leidet die Qualität des Filmes etwas darunter, dass sie sich gleich alle sozialen Missstände vornimmt.


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