„This song of the Man and his Wife is of no place and every place: You might hear it anywhere at any time … life … sometimes bitter, sometimes sweet. Summer time – vacation time“ – nach dieser kurzen Texteinführung, wechselt die Leinwand zu einem aus der Vogelperspektive gezeichneten Szenenbild eines Bahnhofs, das sich langsam in bewegte Bilder verwandelt – und wie häufig bei Friedrich Wilhelm Murnau geschieht dies in einer weichen Überblendung. Dadurch wird der Zuschauer sanft in das Geschehen eingeführt:
Plakativ und universell wirkt diese Geschichte (geschrieben von Carl Mayer) zuerst: Der Mann (George O’Brian) und die Frau (Janet Gaynor – die hierfür und weitere Rollen in diesem Jahr den Oscar als beste Darstellerin erhielt) leben als Farmer auf dem Land. Bereits seit einiger Zeit aber hat eine Frau aus der Stadt (Margaret Livingston) den Mann um den Finger gewickelt, der nun bereit ist, sein Leben hinter sich zu lassen und mit ihr in die Stadt zu gehen. Von der Frau aus der Stadt betört und außerdem enttäuscht und unzufrieden mit seinem Leben auf dem Land, haben sie vor die Ehefrau durch einen geplanten Unfall ertrinken zu lassen. Er bringt dies nicht übers Herz und sie flieht in die – traumartige, funkelnde und phantasievolle – Stadt, in der die beiden wieder zu einander finden.
Regisseur und Filmhistoriker Kevin Brownlow verrät im Begleitbuch zur Retrospektive, dass Murnau von William Fox ungewöhnlich viel Freiheit in Kreativitätsfragen erhielt und sich im Zuge dessen des Kamera-Ensembles der Mary Pickford Company bediente. Beide Kameramänner Rocher und Co-Kameramann Struss erhielten bei der allerersten Oscarverleihung 1929 den Preis für die beste Kamera. Außerdem hatte Murnau die Möglichkeit, das neue „Fox Movietone sound-on-film“-System zu nutzen – diese damals neue Aufnahmemethode garantierte eine Synchronisation von Ton und Bild. Mit dieser technischen Ausstattung und dem hohen Maß an Eigenregie in Hollywood, erschaffte Murnau mit seinem Team einen Film, der 1989 von der National Film Registry der Library of Congress (Mike Mashon) zur Restaurierung in die Liste der kulturell, historisch und ästhetisch bedeutender – in den USA hergestellten – Filme aufgenommen wurde. Aus diesem Archiv brachte der „accidental archivist“ Mike Mashon einige Filme mit zur Retrospektive 2014 (lesenswert: The Accidental Archivist).
Ähnlich wie bei „Der letzte Mann“ (1924) und bei „Faust – Eine deutsche Volkssage“ (1926) arbeitet Murnau experimentell (vgl. „die entfesselte Kamera“ Karl Freunds) und geht kreativ und innovativ mit den technischem Möglichkeiten um, die ihm zur Verfügung stehen. Bilder, Symbole, ja die Architektur (die Bauten stammen von Rochus Gliese) sind häufig überstilisiert. Das Licht scheint zu fließen – korrespondierend mit den vielen weichen Übergängen. So wirkt der Besuch in der Stadt wie eine berauschende Traumsequenz, in der die Lichter der Straßenlaternen, vor allem aber die funkelnden Leuchten des Lunaparks die beglückende Zeit der Paares dort als leuchtenden Rausch wieder spiegeln. Im Gegensatz dazu wirken die glitzernden Lichter des Flusses auf dem Land wie eine Beruhigung und sanfte Erholung der neu bestärkten Liebe der beiden.
Begleitet wurde der Film am Piano von Maud Nelissen.